I. Vollmachtskundgabe iSv § 171 I.
1. Rechtsnatur und Anfechtbarkeit.
Rn 2
Die Vollmachtskundgabe ist nach hM eine rein deklaratorische, rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf welche die Vorschriften über Willenserklärungen (§§ 104 ff) entspr anzuwenden sind (Staud/Schilken Rz 2; aA Flume II § 51 9). Es muss ein adressatengerichteter Kundgabewille vorliegen (Bork Rz 1524) und der Kundgebende muss voll geschäftsfähig sein (BGH NJW 77, 622, 623 [BGH 12.10.1976 - VI ZR 172/75]). Die von einem nur beschränkt Geschäftsfähigen vorgenommene Vollmachtskundgabe ist ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nur wirksam, wenn der beschränkt Geschäftsfähige das Rechtsgeschäft gem § 107 selbst vornehmen konnte (BeckOKBGB/Schäfer Rz 6). Der Dritte muss von der Vollmachtskundgabe Kenntnis genommen haben; allein der Zugang der Mitteilung oder der Vollzug der öffentlichen Bekanntgabe genügen nicht. Die Kenntnisnahme wird aber vermutet, wenn die Mitteilung zugegangen oder die öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist (MüKo/Schubert Rz 13). Nach hM kann die Kundgabeerklärung analog §§ 119 ff angefochten werden, weil sie ansonsten eine stärkere Bindungswirkung als eine wirksame Außenvollmacht (s § 167 Rn 48) hätte (Bork Rz 1525; Erman/Maier-Reimer/Finkenauer Rz 7; abw für die Unanfechtbarkeit der Rechtsscheinvollmacht bei öffentlicher Bekanntmachung Neuner § 50 Rz 74). Allerdings kann die Anfechtung nicht auf einen Irrtum über die aus § 171 resultierende Rechtsfolge der Vollmachtskundgabe (unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum) oder das Vorliegen einer Vollmacht (unbeachtlicher Motivirrtum) gestützt werden. Die Anfechtung der Vollmachtskundgabe hat zur Folge, dass der Vertreter nach § 179 und der Vollmachtgeber nach § 122 haften, s § 167 Rn 17.
2. Mitteilung an einen Dritten.
Rn 3
Eine Vollmachtskundgabe durch Mitteilung liegt vor, wenn jemand anderer als der Bevollmächtigte formlos von der Bevollmächtigung unterrichtet wird. Die Mitteilung kann auch durch schlüssiges Handeln (konkludent) erfolgen, wobei die Abgrenzung zur konkludenten Außenvollmacht schwierig sein kann (MüKo/Schubert Rz 4). Ein Vertrauenstatbestand wird nur gesetzt, wenn der Dritte zweifelsfrei auf die Person des Vertretenen und den Umfang der Vollmacht schließen kann (BeckOKBGB/Schäfer Rz 7). Die Mitteilung muss dem Geschäftsgegner spätestens bei Abschluss des Vertretergeschäfts kundgemacht worden sein (BGH WM 08, 1266 Rz 19).
3. Öffentliche Bekanntmachung.
Rn 4
Die Vollmacht wird öffentlich bekannt gemacht, wenn sie einer unbestimmten Vielzahl von Personen etwa durch eine Zeitungsanzeige, einen Aushang oder eine Eintragung im Handelsregister zugänglich gemacht wird (BGHZ 225, 198 Rz 71). Nicht unter § 171 fällt die Anmeldung zum Gewerberegister (Hamm NJW 85, 1846, 1847).
II. Gutgläubigkeit.
Rn 5
Derjenige, der sich auf die Richtigkeit der Vollmachtskundgabe beruft, muss gutgläubig sein (s § 173).
III. Das Erlöschen der Rechtsscheinvollmacht durch Widerruf (Abs 2).
Rn 6
Die Beseitigung der Vollmacht erfolgt gem II durch actus contrarius. Der Widerruf der Kundgabe muss möglichst in derselben Weise erfolgen wie die Vollmachtskundgabe, dh je nachdem wie die Vollmachtskundgabe erfolgt ist, durch Mitteilung oder öffentliche Bekanntmachung. Die Kundgabe und der Widerruf müssen jedoch nicht absolut gleichartig sein. Die schriftliche Kundgebung kann vielmehr auch mündlich und die öffentliche Bekanntmachung durch besondere Mitteilung an einzelne Dritte widerrufen werden (Staud/Schilken Rz 10). Der Zugang einer schriftlichen Widerrufserklärung genügt; ihre Kenntnisnahme durch den Dritten ist nicht erforderlich (MüKo/Schubert Rz 16).