Gesetzestext

 

(1) 1Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach der für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. 2Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.

(2) 1Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten; der Überlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. 2Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Überlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt.

(3) Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die Bindung der Ehegatten an die im gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen. Dies geschieht zum einen, indem für den Widerruf zu Lebzeiten beider die Form des Rücktritts vom Erbvertrag vorgeschrieben ist, sodass der andere vom Widerruf erfährt, zum andern dadurch, dass nach dem Tode des Erstversterbenden der Überlebende kaum noch Möglichkeiten hat, seine Verfügungen aufzuheben.

B. Rechtslage zu Lebzeiten beider Ehegatten.

I. Form.

 

Rn 2

Die gemeinsame Aufhebung der wechselbezüglichen Verfügungen ist möglich durch ein gemeinschaftliches Widerrufstestament (§ 2254), ein widersprechendes Testament (§ 2258; BayObLG FamRZ 97, 1245), durch Erbvertrag (§ 2289 I 1), durch Rücknahme aus der Verwahrung (§ 2272) sowie durch gemeinschaftliche Vernichtung oder Veränderung (§ 2255). Es genügt nicht, dass nur ein Ehegatte ein neues einseitiges Testament errichtet und der andere formlos zustimmt (KG JW 37, 477). Erfolgt der Widerruf in getrennten Urkunden, muss die Gemeinschaftlichkeit zumindest nach Maßgabe der Andeutungstheorie zu ermitteln sein; Übereinstimmung von Zeit und Ort der Errichtung sowie von Wortlaut und Papier soll insoweit nicht genügen (Braunschw ZEV 07, 178 [OLG Braunschweig 13.03.2006 - 2 W 121/05] m krit Anm Sticherling). Sofern das Testament nur Auflagen und Vermächtnisse enthält, ist nach hM auch die (hier eher umständliche) Aufhebung entspr § 2291 möglich (Staud/Kanzleiter Rz 2 u 7).

 

Rn 3

Der Widerruf durch nur einen Ehegatten ist möglich, muss aber notariell beurkundet werden (§ 2296 II 2). Die Erklärung erfolgt ggü dem anderen Ehegatten bzw dessen Betreuer in Vermögensangelegenheiten (Hamm FGPrax 14, 71). Ihm muss die Urschrift oder Ausfertigung der Widerrufserklärung zugehen, nicht lediglich eine beglaubigte Abschrift (BGHZ 31, 7; 36, 203; NJW 81, 2300). Es genügt, wenn der Zugang nach dem Tode des Erklärenden erfolgt (§ 130 II), wenn dies alsbald geschieht (Oldbg ErbR 18, 346, vgl Kobl MittBayNot 18, 366). Wird der Widerruf dagegen auf Weisung des Widerrufenden erst nach seinem Tode dem überlebenden Ehegatten übermittelt, dann ist er unwirksam (BGHZ 9, 235; A. Roth NJW 92, 791), weil dies den Zweck von I vereitelte. Es genügt auch nicht, dass zu Lebzeiten die beglaubigte Abschrift und erst nach dem Tode die Ausfertigung zugestellt wird (BGHZ 48, 379); anderes gilt nur, wenn die Ausfertigung zu Lebzeiten des Empfängers auf den Weg gebracht worden war (Hamm NJW-RR 91, 1481). Zu Besonderheiten bei Geschäftsunfähigkeit des Widerrufsgegners vgl LG Leipzig FamRZ 10, 403; Zimmer ZEV 07, 159 u Vollmer ZErb 07, 235, bei dessen Testierunfähigkeit Nürnbg ZEV 13, 450.

II. Einzelfragen.

 

Rn 4

Einseitige Änderungen durch letztwillige Verfügung sind möglich, soweit nur einseitige Verfügungen betroffen sind oder der überlebende Ehegatte ggü der wechselbezüglichen Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments begünstigt wird (BGHZ 30, 266).

 

Rn 5

Die Anfechtung des Testaments ist wegen der Widerrufsmöglichkeit ausgeschlossen. Der Widerruf selbst ist aber nach § 2078 anfechtbar. Ein Widerruf des Widerrufs ist dagegen unzulässig; § 2257 findet keine Anwendung (Staud/Kanzleiter Rz 26).

 

Rn 6

Verfügungen unter Lebenden bleiben jedem Ehegatten grds uneingeschränkt möglich. Im Falle der Entwertung testamentarischer Verfügungen auf diesem Wege schützt den anderen Teil das Widerrufsrecht (I 1). § 2287 ist unanwendbar (BGHZ 87, 23; aM Soergel/Leiß Rz 46). Eine Mitteilungspflicht in Form des § 2296 besteht nicht.

C. Rechtslage nach dem Tode eines Ehegatten.

I. Bindungswirkung.

 

Rn 7

Der Überlebende ist an letztwilligen Verfügungen gehindert, die wechselbezügliche Zuwendungen an den Dritten schmälern. Dazu gehört die neu angeordnete Belastung des Schlusserben mit einem Vermächtnis (BGH FamRZ 69, 208), einer Testamentsvollstreckung (KG OLGZ 77, 392; Köln FamRZ 90, 1403) oder einer Nacherbeneinsetzung (Schlesw NJW-RR 13, 906). Der Unwirksamkeit der schmälernden Verfügung steht weder sittliche Pflicht entgegen (BGH NJW 78, 423 [BGH 30.11.1977 - IV ZR 165/76]) noch die Zustimmung des bedachten Dritten (LM Nr 7; vgl Hamm OLGZ 82, 272).

II. Befreiung von der Bindungswirkung.

 

Rn 8

Der überlebende Ehegatte wird von der Bindungswirkung frei, wenn er selbst das Zugewandte ausschlägt. Der gesetzliche Erbteil muss grds nur dann mit ausgeschlagen werden (...

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