Gesetzestext

 

(1) 1Ist ein Abkömmling des Erblassers durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen, so kann er von dem Erben den Pflichtteil verlangen. 2Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

(2) 1Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind. 2Die Vorschrift des § 1371 bleibt unberührt.

A. Pflichtteilsberechtigter.

 

Rn 1

Pflichtteilsberechtigt sind (nur) Abkömmlinge (I 1), Eltern und Ehegatten (II 1) sowie eingetragene Lebenspartner (§ 10 VI LPartG), die wie Ehegatten zu behandeln sind. Zum Ausschluss entfernterer Abkömmlinge oder der Eltern vgl § 2309.

 

Rn 2

Abkömmling (§ 1924 Rn 2 ff) ist, wer mit dem Erblasser in grader Linie (§ 1589 I 1) absteigend verwandt ist (Kinder, Enkel, nicht: Geschwister), auch angenommene Kinder (§§ 1754 f, 1764 II, 1770; s Köln 26.10.11 – 2 U 53/11). Bei Annahme eines Minderjährigen erlöschen seit dem 1.1.77 grds dessen Verwandtschaftsverhältnisse zu seinen bisherigen Verwandten (§ 1755 I 1; s.a. § 1756 I). Pflichtteilsrechte bestehen daher nur nach den Vorfahrenden des Annehmenden. Dagegen werden bei der Volljährigenadoption die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seinen Verwandten grds nicht berührt (§ 1770 II). Es bleibt der als Volljähriger Angenommene nach den Vorfahren seiner leiblichen Eltern erb- und unterhaltsberechtigt (zur Übergangsregel des § 12 AdoptG s § 1924 Rn 10). Auch nichteheliche Kinder sind pflichtteilsberechtigt (§ 1924 Rn 5 ff); nach dem Vater, sofern die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist (§§ 1582 Nr 2, 3, 1594, 1600d) und das Kind nicht vor dem 1.7.49 geboren (s BGH ZEV 09, 134) wurde (Art 227 I Nr 1 EGBGB; Ausn: Art 235 § 1 II EGBGB). Nachdem der EGMR (FamRZ 09, 1293) die Schlechterstellung der vor dem 1.7.49 geborenen Kinder als Diskriminierung iSv Art 14 VIII EMRK gerügt hat, ist Art 12 § 10 II 1 NEhelG aF (vgl BTDrs 17/3305 S 1, 6 ff, 17) mit Wirkung (erst) zum 29.5.09 (vgl Art 5; verfassungsgemäß nach BVerfG NJW 13, 2103 [BVerfG 18.03.2013 - 1 BvR 2436/11]; zweifelhaft iH auf EGMR 7.2.13 – 16574/08 Rz 73) aufgehoben worden und sind nun alle Kinder erbrechtlich gleichgestellt (Staud/Otte Rz 6).

 

Rn 3

Eltern (§§ 1591 ff) sind nur pflichtteilsberechtigt (II 1), wenn sie ohne die Ausschließung des Erblassers als gesetzliche Erben berufen (vgl §§ 1925 I, 1930) und nicht nach § 2309 ausgeschlossen wären. Grds nur bei der Volladoption sind auch Adoptiveltern (§§ 1925, 1754, 1767 II) eingeschlossen (§ 1925 Rn 9 ff). Pflichtteilsberechtigt ist seit dem Inkrafttreten des NEhelG am 1.7.70 grds auch der Vater des nicht vor dem 1.7.49 (s.a. Rn 2) geborenen nichtehelichen Kindes (Art 12 § 10 NEhelG), wenn die Vaterschaft anerkannt ist oder feststeht (§ 1592 Nr 2, 3; vgl § 1924 Rn 5 f). Durch bis zum 1.4.98 wirksam gewordenen vorzeitigen Erbausgleich verlor der Vater sein Recht (§§ 1934d, e aF; Art 227 I Nr 2 EGBGB).

 

Rn 4

Der Ehegatte ist pflichtteilsberechtigt, wenn zum Zeitpunkt des Todes die Ehe rechtsgültig bestand, also nicht bei Nichtehe, geschiedener Ehe (§ 1564; s aber § 1586b), oder aufhebbarer Ehe, wenn der Ehegatte bei Eheschließung die Aufhebbarkeit kannte (§ 1318 V). Ein Ausschluss besteht auch, wenn der Erblasser berechtigt Scheidung (Köln ZEV 03, 326 [OLG Köln 22.01.2003 - 2 U 129/02]) oder Aufhebungen (§ 1313) verlangen konnte und sein entspr Antrag (§ 131 FamFG) zugestellt ist (BGH NJW 90, 2382 [BGH 06.06.1990 - IV ZR 88/89]) bzw er förmlich zugestimmt (§ 1933) hat. Zur Ausschlagung bei Zugewinngemeinschaft beachte § 1371 III (dazu Rn 11), ferner § 2306 I. Allein jahrzehntelanges Getrenntleben schließt die Pflichtteilsberechtigung nicht aus (Schlesw OLGR 00, 241). Der Lebenspartner (§ 1 I LPartG) ist pflichtteilsberechtigt und insoweit dem Ehegatten gleichgestellt (§ 10 VI 1, 2 LPartG). Sein Recht ist entspr dem des Ehegatten nach §§ 10 III, 15 I, II Nr 1–3 LPartG uU ausgeschlossen. Bei Zugewinngemeinschaft, die mangels abw Vereinbarung gilt (§§ 6 1, 7 LPartG), gelten § 1363 II und §§ 1364–1390, mithin auch § 1371 II, III, entspr (§ 6 2 LPartG).

B. Ausschluss.

 

Rn 5

Der Pflichtteilsberechtigte muss durch Enterbung (§ 1938) durch Verfügung vTw (Testament oder Erbvertrag, nicht: Vertrag gem § 311b IV) von der Erbfolge ausgeschlossen worden sein (I 1). Daran fehlt es, wenn jemand auch ohne die ausschließende Verfügung vTw nicht zum Erben berufen wäre, zB bei Rechtshandlungen, die das gesetzliche Erbrecht beseitigen. Daher liegt kein Ausschluss iSv I vor beim Erb- oder Pflichtteilsverzicht (§§ 2346, 2349), bei Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff) oder der Erklärung der Erbunwürdigkeit (§§ 2344, 2345). Auch durch Ausschlagung entfällt das Pflichtteilsrecht (Ausnahmen: § 1371 III und § 2306 I). Kein Ausschluss besteht beim auflösend bedingten (zB Jastrow'sche Klausel, § 2317 Rn 6) oder befristeten Erben oder beim aufschiebend bedingt oder befristet eingesetzten Erben, der Nacherbe ist (BeckOKBGB/Mülle...

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