Gesetzestext

 

(1) 1Der Erbe kann Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. 2Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.

(2) 1Für die Entscheidung über eine Stundung ist, wenn der Anspruch nicht bestritten wird, das Nachlassgericht zuständig. 2§ 1382 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend; an die Stelle des Familiengerichts tritt das Nachlassgericht.

A. Zweck.

 

Rn 1

Der Erbe soll durch die Möglichkeit gerichtlicher Stundung vor unbilligen Härten durch Zerschlagung zum Nachlass gehörender Werte geschützt werden, die ihm dadurch droht, dass der Pflichtteilsanspruch sofort mit dem Erbfall fällig und ggf im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar ist (§ 2317 Rn 3, 5). Die Möglichkeit der Stundung kann die Verhandlungs- und Vergleichsbereitschaft der Parteien stärken. Die Parteien können eine Stundung auch frei vereinbaren (Bsp: Karlsr 15.10.15 – 9 U 149/14), und zwar vor dem Erbfall durch einen beschränkten Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Rn 7) oder durch eine (der notariellen Beurkundung bedürfenden) Vereinbarung unter den künftigen Pflichtteilsberechtigten gem § 311b V (Klingelhöffer ZEV 98, 121, 122).

B. Pflichtteilsberechtigter Erbe.

 

Rn 2

Berechtigter ist der Erbe (§ 1922 Rn 9 ff) bzw für diesen der Nachlasspfleger (§§ 1960, 1961), Nachlassverwalter (§ 1984) und Nachlassinsolvenzverwalter (§ 1980; 80 InsO), nicht aber der Testamentsvollstrecker (vgl § 2213 II 3; MüKo/Lange Rz 2) oder der Zahlungspflichtige nach § 2329, der nicht Erbe ist. Auf eine eigene Pflichtteilsberechtigung (§ 2303 Rn 1) kommt es für Erbfälle seit dem 1.1.10 nicht mehr an. Bis zur Nachlassteilung haftet bei beschränkter Erbenhaftung nach § 2059 I keiner der Erben mit seinem Eigenvermögen und kommt der Stundungsantrag eines Berechtigten auch den anderen Miterben zu Gute (str).

 

Rn 3

Stundungsfähiger Anspruch ist der ordentliche Pflichtteilsanspruch mit dem Pflichtteilsrestanspruch (§§ 2305, 2307) sowie der Pflichtteilsergänzungsanspruch gem § 2325, nicht der Anspruch gegen den Beschenkten nach § 2329.

C. Billigkeitsentscheidung.

 

Rn 4

Die Stundung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die sofortige Zahlungspflicht für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre (I 1). In der für Erbfälle bis zum 31.12.09 geltenden Fassung stellte das G stattdessen darauf ab, ob die sofortige Erfüllung den Erben ›ungewöhnlich hart‹ träfe. Die nF setzt die vormalige Schwelle etwas herab, um den Anwendungsbereich der Stundung zu erweitern. Weiterhin ist aber nur die Art der betroffenen Nachlassgegenstände, nicht eventuelle Schwierigkeiten der Erfüllung der Zahlungspflicht (zB ein zZ ungünstiger Preis für sonstige Nachlassgegenstände), relevant. Insoweit nennt das G weiterhin als Beispiele, dass die Aufgabe des Familienheims oder die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die die wirtschaftliche Lebensgrundlage bilden, erzwungen wird. Es muss dem Erben ohne die Aufgabe bzw Veräußerung der beschriebenen Existenzgrundlage die Erfüllung der Ansprüche nicht (zB aus dem Eigenvermögen oder durch zumutbare Kreditaufnahme) möglich sein (BeckOKBGB/Müller Rz 6, 7). Wirtschaftsgüter zu diesem Zweck können gewerbliche Unternehmungen, Mietshäuser, landwirtschaftliche Güter, Beteiligungen an Handelsgesellschaften und auch Immaterialgüter (Staud/Olshausen Rz 14), idR nicht Kunstgegenstände, Antiquitäten oder Familienstücke sein.

 

Rn 5

Es genügt nicht allein, dass dem Erben die Erfüllung schwierig ist oder den Erben besonders hart trifft (vgl § 1382). Um die Position des Pflichtteilsberechtigten (Vor § 2303 Rn 3) nicht auszuhöhlen, sind seine Interessen angemessen zu berücksichtigen (I 2), wobei der Gesetzgeber die bisherige hohe Hürde (vgl Dresd NJWE-FER 99, 326; Hambg OLGR 98, 294) maßvoll herabsetzten wollte, zumal der Pflichtteil durch die Stundung nicht erlischt. Die stets erforderliche Interessenabwägung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls. Insb eine Sicherung des Pflichtteilsanspruchs (Rn 6) spricht für eine Abwägung zu Gunsten des Erben. IÜ wird sie wird sich derjenigen nach § 1382 (§ 1382 Rn 6 ff) annähern, wobei anders als dort (§ 1382 Rn 5) bei § 2332a aber weiterhin im Grds ein Vorrang der Interessen der Pflichtteilsberechtigten besteht dürfte. ZB sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Unterhaltspflichten des Anspruchsberechtigten oder ein Verhalten des Erben, der eine Entscheidung sehr lange herauszögert (Rostock MDR 19, 1138 [OLG Rostock 20.06.2019 - 3 U 32/17] Rz 27), zu berücksichtigen. Im Einzelfall kann eine teilweise Stundung oder eine Ratenzahlung angemessen sein (Staud/Olshausen Rz 19).

D. Verfahren.

 

Rn 6

Über die Stundung eines unstreitigen Pflichtteilsanspruchs entscheidet das Nachlassgericht (II 1), über die eines streitigen oder rechtshängigen Anspruchs das Prozessgeric...

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