Gesetzestext

 

(1) Verzichtet jemand zu Gunsten eines anderen auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verzicht nur für den Fall gelten soll, dass der andere Erbe wird.

(2) Verzichtet ein Abkömmling des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verzicht nur zu Gunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten oder Lebenspartners des Erblassers gelten soll.

A. Geltungsbereich.

 

Rn 1

Die Auslegungsregel gilt für einen Erbverzicht, der nicht ohne jede Bedingung, sondern zugunsten bestimmter Personen erklärt wird (relativer Erbverzicht). Sie ist nur anwendbar, wenn der tatsächliche Wille der Parteien des Verzichtsvertrags nicht ermittelbar ist (BGH NJW 08, 298, 299), und nicht auf den bloßen Pflichtteilsverzicht (§ 2346 II) oder auf den Zuwendungsverzicht (§ 2352; MüKo/Wegerhoff Rz 3; aA für I Staud/Schotten § 2352 Rz 17). II betrifft die Tatbestands-, I die Rechtsfolgenseite. S.a. § 2346 Rn 8.

B. Relativer Erbverzicht (Abs 1).

 

Rn 2

I behandelt den erklärten relativen Erbverzicht und bestimmt, dass im Zweifel der Verzicht nur anzunehmen ist, wenn als Rechtsfolge derjenige, zugunsten dessen verzichtet wurde, Erbe wird. Der Verzicht ist aufschiebend bedingt und soll nur wirksam werden, wenn der mit ihm beabsichtigte Zweck eintritt. Tritt die Bedingung nicht ein, ist der Verzicht unwirksam. Ist er zugunsten mehrerer Begünstigter erklärt, ist er im Zweifel erst dann unwirksam, wenn sie alle weggefallen sind. Der Begünstigte kann kraft Gesetzes oder auf Grund letztwilliger Verfügung Erbe oder Miterbe werden. Er muss den ansonsten bei gesetzlicher Erbfolge dem Verzichtenden zufallenden Erbteil in voller Höhe erlangen (Staud/Schotten Rz 13). Es genügt, ist aber nicht notwendig, dass er an die Stelle des Verzichtenden zum Ersatzerben berufen wird. Berufung zum Vorerben, nicht aber die nur zum Nacherben oder die Zuwendung eines Vermächtnisses, genügt. Auch muss der Begünstigte nicht schon ein eigenes Erbrecht haben. Die Absicht des Verzichtenden, eine bestimmte Person zu begünstigen, muss sich aus dem Verzichtsvertrag (ggf durch Auslegung) ergeben. Bestimmbarkeit des Begünstigten zur Zeit des Erbfalls genügt. Dem Willen des Verzichtenden entspricht es, dem Begünstigten den kompletten Erbteil des Verzichtenden bei gesetzlicher Erbfolge zugutekommen zu lassen, dh der Verzichtserklärung in Fällen des I eine übertragende Wirkung beizumessen (KG DNotZ 42, 148; RGRK/Johannsen Rz 6). Nach aA erlangt er nur den durch den Verzicht erhöhten Anteil, da der Erbverzicht nur eine negative Wirkung habe (hM; MüKo/Wegerhoff Rz 9; Staud/Schotten Rz 14, 27). Der Begünstigte erhält demnach den vollen Erbteil nur, wenn er als Erbe eingesetzt wird. Die Rechtsstellung eines nichtbegünstigten Dritten wird durch den Verzicht nicht verändert (Oldbg FamRZ 92, 1226 f). Die Beweislast trägt, wer entgegen der Vermutungen des § 2350 aus einem unbedingten Verzicht Rechte herleiten will (BGH NJW 08, 298, 299).

C. Verzicht des Abkömmlings.

 

Rn 3

II vermutet für die Tatbestandsseite, wann mangels Vereinbarung ein relativer Verzicht anzunehmen ist. Demnach steht der Verzicht eines Abkömmlings des Erblassers unter der aufschiebenden Bedingung, dass sein gesetzlicher Erbteil wenigstens einem (Staud/Schotten Rz 27) anderen Abkömmling (§ 1924), worunter auch nichteheliche Kinder oder Adoptivkinder des Erblassers fallen, oder dem Ehepartner des Erblassers zu Gute kommt. Ehegatte iSd II ist auch ein Stiefelternteil (DErbK/Güse Rz 13). Der Lebenspartner ist einem Ehepartner gleichgestellt. Beweislast: Rn 2.

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