Rn 68

Die ergänzende Wirkung von § 242 (s.o. Rn 25 f) gestattet es, dem Rechtsverhältnis zwischen den Parteien unabhängig von deren Willen zusätzliche Pflichten hinzuzufügen. Dies kann entweder durch die Bildung ergänzender richterrechtlicher Normen oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschehen. Die Grenze zwischen diesen beiden Ergänzungsmechanismen ist fließend. Immerhin lassen sich Fallgruppen herausarbeiten, welche die Ordnung des kaum noch zu übersehenden Entscheidungsmaterials erleichtern (s.u. Rn 7085).

 

Rn 69

Die möglichen Ergänzungen betreffen auch die den Typ des Schuldverhältnisses charakterisierenden (Haupt-)Pflichten (s § 241 Rn 17). Solche Vorgänge meint der Wortlaut von § 242, der insoweit neben die §§ 243–274 tritt. Der Schuldner muss danach seine Pflichten nicht nur dem ›Buchstaben‹, sondern auch dem Geist des Schuldverhältnisses nach erfüllen (so klassisch Larenz Schuldrecht I § 10 II). So darf der Schuldner etwa auch außerhalb von § 358 HGB nicht zur Unzeit leisten (RGZ 92, 208, 210 f). Ferner kann er ausnahmsweise zu einer Anpassung des Vertrages verpflichtet sein, wenn die unveränderte Durchführung bestimmter Vertragsteile nicht möglich oder dem Gläubiger ausnahmsweise nicht zumutbar ist (verneint für die Zuordnung zum nach § 613a übergehenden Betriebsteil, BAG BeckRS 13, 69849 Rz 43); das ergibt sich heute aus § 313 I (Einordnung offen gelassen in BGH WuM 06, 440, 442 [BGH 31.05.2006 - VIII ZR 159/05]; wohl auf § 242 gestützt bei Umwandlung des Anspruchs des Vermieters auf Vornahme von Schönheitsreparaturen in einen Geldleistungsanspruch, sofern der Vermieter Umbaumaßnahmen plant und diese auch tatsächlich durchführt BGH NJW 14, 1521 [BGH 12.02.2014 - XII ZR 76/13] Rz 15; zum alten Recht: OGH NJW 49, 465, 467 [Notwendigkeit eines Wechsels des Erfüllungsortes]; vgl auch RGZ 107, 121, 122 f). Zur Ausübungskontrolle s Rn 30. Umgekehrt muss auch der Gläubiger Rücksicht auf die Belange des Schuldners nehmen. Dieser kann zwar grds auf einer pflichtgemäßen Erfüllung bestehen, jedoch muss er einerseits in dem gebotenen Maße kooperieren (BGH NJW 77, 2358, 2359 [BGH 29.09.1977 - III ZR 167/75]; s.u. Rn 79) und andererseits muss er im Einzelfall gewisse geringfügige, unerhebliche Abweichungen vom Leistungsprogramm des Schuldverhältnisses hinnehmen (etwa RGZ 78, 137, 142 [Scheck statt Barzahlung]; BGH NJW 69, 320 [BGH 11.11.1968 - II ZR 228/66] [Überweisung auf abweichendes Konto]). Bei derartigen Konstellationen, zu denen auch Einschränkungen von § 266 gehören (s § 266 Rn 3), ist die Grenze zur beschränkenden Wirkung von § 242 fließend (vgl o Rn 27, Rn 28). Die Begründung eigenständiger Hauptleistungspflichten kommt in aller Regel nicht in Betracht (BGH NZG 13, 1095 [BGH 20.06.2013 - I ZR 201/11] Rz 15).

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