Rn 52

Die Adäquanztheorie will ganz unwahrscheinliche (›inadäquate‹) Kausalverläufe ausschalten. Hierfür gibt es verschiedene Formulierungen. Am gebräuchlichsten ist wohl: Das schädigende Ereignis müsse im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet sein, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (etwa BGHZ 7, 198, 204; 137, 11, 19 mwN).

 

Rn 53

Bei dem Urt über diese Wahrscheinlichkeit sollen berücksichtigt werden alle zur Zeit des Schadenseintritts dem optimalen Beobachter erkennbaren und zusätzlich die dem Täter noch darüber hinaus bekannten Umstände (BGHZ 3, 261, 267). Tatfolgen, die dem Täter bekannt oder sogar von ihm gewollt sind, sind also immer adäquat (BGH NJW 92, 1381, 1382 [BGH 28.01.1992 - VI ZR 129/91]).

 

Rn 54

Die Formulierung für die Adäquanz hat aber nur selten eine wesentliche Beschränkung des zu ersetzenden Schadens bewirkt. Bsp bilden BGH NJW 52, 1010: Jemand hatte 1937 bei einem Verkehrsunfall ein Bein verloren; er konnte deshalb 1945 einen rettenden Bunker nicht mehr erreichen und wurde daher von einem Splitter tödlich getroffen. Oder BGHZ 25, 86, 91: Während einer unfallbedingten Operation entdeckt ein Arzt eine Anomalie des Patienten und will diese beheben; das führt zum Tod. Weitere Fälle bei Lange/Schiemann § 3 VI 4b. In letzter Zeit werden diese Fälle aber noch seltener, wohl wegen des Vordringens anderer Argumentationen (va der Schutzzwecklehre, u. Rn 67). Aus neuerer Zeit vgl immerhin den exotischen Fall von AG Regensburg NJW 00, 1047 [AG Regensburg 16.03.1999 - 4 C 4376/98].

 

Rn 55

Die geringe Wirksamkeit der Adäquanz hängt gewiss mit der Kunstfigur des ›optimalen Beobachters‹ (s.o. Rn 53) zusammen: Von ihm kann man kaum sagen, was er angeblich nicht weiß. Aber selbst wenn man mit Larenz (SchuldR AT 324) an seine Stelle einen ›erfahrenen‹ Beobachter setzt, bleibt die Filterwirkung der Adäquanztheorie gering. Sie ist noch dadurch vermindert worden, dass die Voraussehbarkeit nur für den Schadenseintritt und nicht auch für den konkreten Ablauf der Schädigung gefordert worden ist (so in dem ›Spitzhackenfall‹ von BGH VersR 61, 465). Vgl aber zur sog ›Unterbrechung des Kausalzusammenhangs‹ noch u. Rn 63.

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