Rn 6

Kraft der Vereinsautonomie kann der Verein auch außerhalb der Satzung verbindliche Regeln setzen. Derartige Nebenordnungen wie Wettkampf-, Benutzungs- oder Schiedsordnungen, gestalten die Satzung nur näher aus und bedürfen einer satzungsmäßigen Grundlage (Reichert/Wagner Kap 2 Rz 409, 411). Wesentliche Entscheidungen müssen in der Satzung oder in einer zum Satzungsbestandteil erklärten Vereinsordnung enthalten sein, zB die Einführung einer Delegiertenversammlung (LG Potsdam NZG 23, 77 [LG Potsdam 15.08.2022 - 8 O 160/21]) oder die Rechtsgrundlage für Disziplinarmaßnahmen (weitere Bsp bei Reichert/Wagner Kap 2 Rz 407). Soweit die Vereinsordnung gegen Gesetz oder Satzung verstößt oder eine Regelung enthält, die der Satzung vorbehalten bleibt, ist sie unwirksam. Die Änderung von Vereinsordnungen ohne Satzungsqualität ist mit einfacher Mehrheit möglich, §§ 33, 71 gelten nicht. Geschäftsordnungen regeln den Geschäftsgang von Vereinsorganen und erfordern keine satzungsmäßige Grundlage. Sie dürfen aber weder gegen die Satzung oder eine Vereinsordnung verstoßen noch in die Rechtsstellung von Mitgliedern eingreifen (BGHZ 47, 172, 178).

 

Rn 7

Beim rechtsfähigen Verein muss die Satzung schriftlich niedergelegt sein (§ 59 II), so dass der Anwendungsbereich von Vereinsgewohnheitsrecht (Observanz), das sich durch ständige Übung bilden kann, begrenzt ist. Es steht im Rang unter der Satzung und kann diese nicht ändern, da Satzungsänderungen der Eintragung in das Vereinsregister bedürfen (§ 71 I 1; Oldbg NZG 09, 917). § 33 I 2 steht ferner der Zweckänderung durch Vereinsübung entgegen. Daher bleibt als Anwendungsbereich des Vereinsgewohnheitsrechts lediglich die Ergänzung lückenhaften satzungsnachrangigen Vereinsrechts (Reichert/Wagner Kap 2 Rz 455, s aber § 54 Rn 8) und die Heranziehung zur Satzungsinterpretation (NK-BGB/Heidel/Lochner Rz 34).

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