Gesetzestext

 

1Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. 2Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 257 1 konkretisiert den Inhalt eines Aufwendungsersatzanspruchs, wenn die Aufwendung in der Eingehung einer Verbindlichkeit besteht. Der Ersatzberechtigte kann iSe Naturalrestitution die Befreiung von der übernommenen, aber noch nicht erfüllten Pflicht verlangen. § 257 2 räumt dem Schuldner das Recht ein, vor Fälligkeit der Verbindlichkeit statt der uU noch gar nicht möglichen Befreiung Sicherheit zu leisten.

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Wie § 256 setzt auch § 257 einen aufgrund eines Vertrags oder Gesetzes bestehenden fälligen Aufwendungsersatzanspruch voraus (BGH NZI 06, 582 [BGH 20.07.2006 - IX ZR 44/05]; MüKoBGB/Krüger § 257 Rz 2). § 257 konkretisiert nur den Inhalt des Aufwendungsersatzanspruchs, stellt für diesen aber keine eigene Anspruchsgrundlage dar (Rohlfing MDR 12, 258). Soweit sich der Anspruch auf Befreiung der eingegangenen Verbindlichkeit oder der Anspruch auf Sicherheitsleistung bereits aus anderen Rechtsgrundlagen ergibt (zB §§ 31a II 1, 415 III 1, 738 I 2, 775 I), kommt § 257 nicht zur Anwendung. Besteht ein vertraglich vereinbarter Befreiungsanspruch, ist § 257 2 für die Möglichkeit der Sicherheitsleistung analog anzuwenden (MüKoBGB/Krüger § 257 Rz 17; Soergel/Forster § 257 Rz 16; aA für vertragliche, noch nicht fällige Befreiungsansprüche BGHZ 91, 77 f). Zu vertraglichen Freistellungsvereinbarungen beim Unternehmenskauf vgl Hilgard BB 16, 1218; Wiesbrock/Frank BB 18, 3014; zum Befreiungsanspruch im Familienrecht Freitag FuR 21, 566; zum Anspruch des Mieters gg den Vermieter bei vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten vgl BGH MMR 22, 668 [BGH 23.03.2022 - VIII ZR 133/20]. Die Aufwendung muss in der Eingehung einer Verbindlichkeit im Interesse des Ersatzverpflichteten bestehen (MüKoBGB/Krüger § 257 Rz 3). Allerdings setzt der Befreiungsanspruch nicht notwendigerweise einen begründeten Anspruch des Dritten voraus; die Pflicht zur Freistellung umfasst grds die Abwehr unbegründeter Forderungen (BGH NJW 11, 2719 [BGH 31.05.2011 - II ZR 141/09]; NJW-RR 08, 258 [BGH 25.10.2007 - VII ZR 205/06]; Muthorst AcP 209, 223 f) und Eventualverbindlichkeiten (Ostendorf JZ 13, 657 f).

C. Inhalt des Befreiungsanspruchs.

 

Rn 3

Der Berechtigte kann Befreiung der eingegangenen, aber noch nicht erfüllten Verbindlichkeit fordern, nicht aber den zur Tilgung der Verbindlichkeit notwendigen Geldbetrag (LG Frankfurt GRUR-Prax 21, 115; BRHP/Lorenz § 257 Rz 4). Anderes gilt nur, wenn die Inanspruchnahme durch den Dritten mit Sicherheit zu erwarten ist (RGZ 78, 34; München GWR 10, 524 [OLG München 05.10.2010 - 20 U 1940/10]; aA Dörr MDR 11, 335). Ob dem Gläubiger ein Vorschussanspruch zusteht, richtet sich nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (MüKoBGB/Krüger § 257 Rz 6; Oldbg 27.8.2019, 2 U 102/19). Wie der Schuldner die Befreiung bewirkt, ist ihm überlassen (BGHZ 91, 77), zB durch Leistung als Dritter (§ 267), befreiende Übernahme der Verbindlichkeit (§§ 414, 415) oder durch Vereinbarung eines Erlassvertrags mit dem Gläubiger zugunsten des Schuldners (MüKoBGB/Krüger § 257 Rz 4; Soergel/Forster § 257 Rz 5; aA Staud/Bittner/Kolbe § 257 Rz 7). Um dem Schuldner sein diesbezügliches Wahlrecht zu erhalten, lautet der Klageantrag auf Verurteilung zur Befreiung von der Verbindlichkeit. Das Begehren ist im Wege einer Leistungsklage zu verfolgen (Bischoff ZZP 120, 240 f; aA für noch nicht fällige Verbindlichkeiten BGH NJW 01, 156 [BGH 04.10.2000 - VIII ZR 109/99]). Durch die Verurteilung des Schuldners auf Freistellung hat der Gläubiger nicht das Recht, durch Ersatzvornahme Zahlung an sich selbst zu verlangen (Celle OLGR 98, 58). Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 887 ZPO, setzt allerdings voraus, dass der Geldbetrag des auf Befreiung von einer Geldschuld gerichteten Anspruchs nach Grund und Höhe eindeutig bestimmt ist (Schlappa DGVZ 11, 23 f).

 

Rn 4

Der Befreiungsanspruch ist grds nicht abtretbar, da er mit der Abtretung seinen Inhalt ändern würde, vgl § 399 Fall 1 (BGHZ 25, 7; Prütting/Gehrlein/Lugani ZPO § 887 Rz 4). Eine Ausnahme ist nur dort zu machen, wo der Befreiungsanspruch gerade an den Gläubiger des Ersatzberechtigten abgetreten wird (BGHZ 71, 170). In diesem Fall verwandelt sich der Befreiungsanspruch in eine Forderung auf die geschuldete Leistung (BGH MDR 10, 1100). Kommt es zu einer Rückabtretung, erhält der Anspruch seinen ursprünglichen Leistungsinhalt zurück. In der Insolvenz des Gläubigers fällt der Befreiungsanspruch in die Masse und verwandelt sich in einen Zahlungsanspruch (BGHZ 57, 78; NJW 94, 49), bei Insolvenz des Schuldners des Befreiungsanspruchs gilt § 45 1 InsO (BRHP/Lorenz § 257 Rz 10).

D. Sicherheitsleistung.

 

Rn 5

Ist die Verbindlichkeit des Dritten ggü dem Gläubiger noch nicht fällig, dann eröffnet § 257 2 dem Schuldner die Wahlmöglichkeit, st...

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