Rn 11

Der vom Verwender mit AGB verfolgte Zweck erfordert einen von den allg, für sonstige, einzelfallbezogene Vertragsbedingungen geltenden Auslegungsprinzipien (§ 133 Rn 31 ff, § 157 Rn 1 ff) abw, aber letztlich doch in ihnen verankerten, objektiven Auslegungsansatz. Wegen ihrer Rationalisierungs- und Typisierungsfunktion muss sich das Auslegungsergebnis als allg Lösung des in der Klausel geregelten, stets wiederkehrenden Interessengegensatzes darstellen (BGHZ 60, 380). Ist eine Klausel mit einem ›Gesamtklauselwerk‹ zu einer Einheit verbunden, ist auch dieses bei der Auslegung zu berücksichtigen (BGH ZIP 20, 2068). Auch unwirksame Klauselteile können zur Auslegung der verbleibenden Regelung herangezogen werden (BAG NJW 16, 1979 [BAG 27.01.2016 - 5 AZR 277/14] Rz 29).

 

Rn 12

AGB sind daher losgelöst von den Zufälligkeiten des Einzelfalls und den individuellen Vorstellungen der Parteien (BGHZ 49, 88; NJW 99, 1105) unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks, der gewählten Ausdrucksweise und des allg Sprachgebrauchs im Zeitpunkt der Einbeziehung in den Vertrag (MüKo/Fornasier § 305c Rz 37) einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise (zB typischerweise von den AGB betroffene Kundengruppen, Hambg DB 81, 1718) verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittskunden zugrunde zu legen sind (BGH NJW 22, 2928 [BGH 24.03.2022 - I ZR 52/21] Rz 31; 17, 2762 Rz 19; BAG NJW 21, 1975 [BAG 26.11.2020 - 8 AZR 58/20] Rz 57). Eine Differenzierung nach unterschiedlichen Verkehrskreisen kann danach geboten sein (BGH NJW-RR 04, 1248 [BGH 17.06.2004 - VII ZR 75/03]).

 

Rn 13

Individuelle Umstände, die dem typischen, juristisch nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nicht zugänglich sind (zB Entstehungsgeschichte der Klausel, systematische Stellung im Vertrag) dürfen nicht berücksichtigt werden (BGH NJW 02, 2102; NJW-RR 96, 857 [BGH 06.03.1996 - IV ZR 275/95]; anders dagegen den Abschluss vergleichbarer Abreden typischerweise begleitende Umstände, BAG NZA 22, 1344 [BAG 27.04.2022 - 4 AZR 289/21] Rz 25). Maßgeblich ist aber eine von der objektiven Bedeutung abw, von beiden Parteien so verstandene Bedeutung der Klausel (BGH NJW 02, 2102 [BGH 22.03.2002 - V ZR 405/00]). Fachspezifischen Bezeichnungen ist grds ihre in Fachkreisen geläufige Bedeutung zugrunde zu legen, auch wenn diese von der Umgangssprache abweicht (BRHP/H. Schmidt § 305c Rz 46). Juristische Fachtermini, die erkennbar dem Gesetz entnommen wurden, sind in dem Sinn auszulegen, den sie in dem betr Gesetz haben (BGH ZIP 03, 1095; Hamm NJW-RR 04, 58 für den Begriff ›unverzüglich‹ aus § 121; München IHR 07, 30 zu ›EAG‹, ›EKG‹ und ›CISG‹). Haftungsfreizeichnungen sind grds eng auszulegen (BGH NJW 92, 2016 [BGH 05.05.1992 - VI ZR 188/91]). Zu Gerichtsstandsklauseln BGH NJW 72, 1671 [BGH 05.07.1972 - VIII ZR 118/71]; Schlesw NJW 06, 3360 [OLG Schleswig 02.06.2006 - 2 W 80/06]; zum Verhältnis von Gerichtsstands- und Schiedsklausel BGH SchiedsVZ 07, 273 [BGH 25.01.2007 - VII ZR 105/06].

 

Rn 14

In Verbraucherverträgen werden individuelle Umstände nach § 310 III Nr 3 (s § 310 Rn 12) nur bei der Inhaltskontrolle, nicht jedoch bei der Auslegung berücksichtigt (BAG NZA 17, 912 [BAG 15.02.2017 - 7 AZR 291/15] Rz 15; Stoffels Rz 363).

 

Rn 15

Die Auslegung von AGB ist nach § 545 ZPO revisibel, sofern ihr Anwendungsbereich über den Bezirk eines OLG hinausgeht (BGH NJW 04, 1104; 20, 679 Rz 15). Dies gilt nicht für ausländische AGB (BGHZ 104, 181).

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