Rn 39

Solche Irrtümer sind o bei Rn 34 ff in Gestalt der Erwartung des Fortbestehens einer Ehe begegnet, doch kommen sie auch in anderen Zusammenhängen in Betracht, etwa bei der übereinstimmenden Vorstellung der Parteien bei Vertragsschluss über die Nicht-Preisbindung einer Wohnung (BGH NJW 10, 1663) oder über die Solvenz der verkauften GmbH (BGH WM 18, 2090 Rz 44). Dabei handelt es sich idR um bloße nach §§ 119 f unbeachtliche Motivirrtümer. Doch bewirkt die Subsumtion unter die engen Voraussetzungen des § 313 (schwerwiegend, Wesentlichkeit, Unzumutbarkeit), dass ein umfassender Wertungskonflikt mit dem Ausschluss von Motivirrtümern durch die §§ 119 f vermieden bleibt.

 

Rn 40

Kalkulationsirrtümer werden vom BGH (seit BGHZ 139, 177, 180 ff) als bloße Motivirrtümer angesehen. Das soll selbst dann gelten, wenn der Gegner den Irrtum erkannt hat (BGH aaO 182 ff). Doch soll dem Irrenden dann mit Rechtsbehelfen aus cic oder der Unzulässigkeit der Rechtsausübung geholfen werden können (BGH aaO 184). Dagegen wird die Annahme einer Grundlagenstörung nicht genannt. Das trifft zu: Die Kalkulation eines Angebotspreises ist idR allein Sache des Anbietenden. Das gilt auch, wenn sie dem Gegner mitgeteilt wird (sog offener Kalkulationsirrtum). Eine Ausnahme kommt nur bei einer gemeinsam erarbeiteten Kalkulation in Betracht (vgl auch BGHZ 182, 218; s weiter Rostock 3.7.20 – 1 U 55/19 Rz 11 ff)).

 

Rn 41

Auch beim gemeinsamen Irrtum über andere Umstände ist zunächst zu fragen, ob dieser Umstand auch die nicht benachteiligte Partei ›etwas angeht‹, also insb auch aus ihrer Sphäre stammt. Das gilt va für den von einer Partei verfolgten Zweck: Ist dieser nicht erreichbar (zB der Patient, für den das gekaufte Medikament bestimmt ist, stirbt oder wird von selbst wieder gesund), so bleibt § 313 unanwendbar (etwa BGHZ 74, 370, 374). Wird dagegen der Zweck zum Vertragsinhalt gemacht, so liegt Unmöglichkeit vor. In der Wirklichkeit dürfte es Fälle, in denen der Verwendungszweck Geschäftsgrundlage iSv § 313 ist, kaum geben.

 

Rn 42

Anerkannt ist aber die Möglichkeit eines rechtserheblichen Grundlagenirrtums bei einem beiderseitigen Irrtum über die für den Vertrag maßgeblichen Rechtslage (etwa BGHZ 25, 390, 392 f: Umstellungsverhältnis nach der Währungsreform; BGH NJW 05, 2069: Bestehen von Versicherungsschutz; BGH NJW-RR 18, 877 [BGH 11.01.2018 - I ZR 85/17] Rz 17: Kündigung eines urheberrechtlichen Lizenzvertrags). Allerdings scheidet auch hier § 313 aus, wenn der Vertrag nach § 779 verbleibende Zweifel beheben sollte. Zur Anwendbarkeit bei der verdeckten Gewinnausschüttung Westermann GmbHR 20, 125.

 

Rn 43

Dagegen ist die Anwendbarkeit von § 313 abzulehnen beim beiderseitigen Irrtum über Eigenschaften, die nach § 119 II zur Anfechtung berechtigen (bejahend aber etwa HK-BGB/Fries/Schulze Rz 6; s.a. Petersen JURA 11, 430). Denn hier ist es sachgerecht, dass die durch den Irrtum benachteiligte Partei nach § 119 II (ggf mit der Folge aus § 122) anficht. Denn es war idR ihre Sache, den ihr nachteiligen Irrtum (zB darüber, dass der verkaufte Ring massiv Gold und nicht bloß vergoldet ist) zu vermeiden.

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