Rn 2

Vielfach begegnet § 315 im Arbeitsrecht: Der Arbeitgeber kann (in den durch den Vertrag gezogenen Grenzen) kraft seines Direktionsrechts die vom Arbeitnehmer zu erbringende Leistung bestimmen (BAG NZA 12, 858, 860 [BAG 22.02.2012 - 5 AZR 249/11]; MüKo/Würdinger Rz 73 ff; aA etwa Boecken FS Fezer [16], 377, der das Weisungsrecht des Arbeitgebers wegen seines gesetzlichen Ursprungs in § 106 GewO als geschäftsähnliche Handlung sieht, die nicht unter § 315 falle). Dabei besteht nach § 106 S 1 GewO, § 315 keine Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert (BAG NZA 17, 1452). Zur Leistungsbestimmung in einer Betriebsvereinbarung BAG NJW 21, 1772. Bei manchen höheren Diensten (zB von Ärzten, vgl BGHZ 174, 101) kann die Vergütung in gewissen Grenzen vom Dienstverpflichteten bestimmt werden. Zur Bedeutung des § 315 bei der Festsetzung einer Bonuszahlung für das Vorstandsmitglied einer AG Frankfurt AG 18, 852 (aufgeh durch BGH WM 19, 2315). Zu den Möglichkeiten der Reduzierung der Bonuszahlung gegen ›Null‹ BAG NZA 22, 268 Rz 113 ff.

 

Rn 3

Unter § 315 gehören auch die Zinsanpassungsklauseln der Kreditinstitute (BGHZ 180, 257; 185, 166; u. Rn 24). Die Rspr (etwa BGH NJW 03, 1949, 1950 mN; BGHZ 164, 336; BGH ZIP 10, 1959; NJW 12, 3092; einschr BGHZ 171, 374 Stromtarife; BGH NJW 03, 3131; NJW-RR 10, 1162 Wasserversorgung; NJW-RR 10, 1202 Erdgasliefervertrag; BGH WM 12, 622; BGH NZKart 21, 51 Eisenbahninfrastrukturunternehmen; nicht aber die nach § 2 AVBFernwärmeV festgelegten Preise bei Fernwärmeunternehmen, auch wenn diese eine monopolartige Stellung einnehmen, BGHZ 195, 144 Rz 20 ff; vgl zuletzt für § 24 IV AVBFernwärmeV BGHZ 232, 312 Rz 44 f) hat die Anwendung von § 315 III erweitert auf die Tarife von Monopolbetrieben der Daseinsvorsorge. Die Kontrolle beschränkt sich aber auf nachträgliche Preiserhöhungen (BGHZ 172, 315; s aber Rn 7). Das Recht zur einseitigen Leistungsbestimmung iSd § 315 steht dem Rechtsanwalt nach § 14 I RVG bei Rahmengebühren zu; die einmalige Ausübung bindet ihn daran (Frankf 7.2.20 – 27 U 1/16, juris).

 

Rn 4

Ausgeschlossen ist § 315 jedoch, wenn die Berechnungsfaktoren für eine Preisänderung vertraglich so bestimmt sind, dass sich der geänderte Preis ohne einen Ermessensspielraum berechnen lässt (automatische Preisgleitklausel, BGH NJW 07, 210 [BGH 11.10.2006 - VIII ZR 270/05]). Freilich kann eine Preiskontrolle über § 315 mit anderen, wirtschaftsrechtlichen Prüfungsmöglichkeiten kollidieren (vgl BGHZ 164, 336 zu §§ 19 IV, 20 I, II GWB; dazu Kühne NJW 06, 2520). Nach BGH NJW 05, 1772 sollen dann für das Entgelt öffentlich-rechtliche Maßstäbe gelten. Sogar bei einer Auslobung kommt § 315 in Betracht, obwohl sie keinen Vertrag bildet (etwa beim Versprechen einer ›angemessenen Belohnung‹), RGZ 167, 225, 235. Entspr soll § 315 gelten, wenn ein Recht zu einseitiger Leistungsbestimmung auf G beruht (BGHZ 172, 315; s aber Rn 7). Zur Bedeutung des § 315 iRe Schiedsgutachtens beim Unternehmenskauf Habersack/Tröger DB 09, 44. Ausgeschlossen ist § 315 auch dann, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften abschließende Leistungsbestimmungen enthalten wie etwa in Bezug auf Infrastrukturnutzungsentgelte für die Eisenbahn auf der Grundlage der RL 2001/14/EG (EuGH 9.11.17, C-489/15 – CTL Logistics GmbH, ECLI:EU:C:2017:834 Rz 69 ff).

 

Rn 5

Besonderheiten bestehen für die in AGB enthaltenen Anpassungsklauseln (s Borges ZIP 07, 1437). Hier wird verlangt, dass der Kunde die maßgebenden Kostenelemente prüfen könne, dass das Gewicht dieser Elemente für den Preis angegeben sei und dass die Erhöhung eines Kostenfaktors durch die Verringerung anderer Kosten ausgeglichen werden könne (BGH DB 05, 2813; ZIP 07, 914, dort auch zu der Frage nach einem Ausgleich durch ein Lösungsrecht des Kunden; BGHZ 180, 257; 182, 59; NJW 17, 325; Thomas AcP 209, 84). Europarechtlich problematisch hinsichtlich des Transparenzerfordernisses sind Regelungen wie § 4 AVBGasV, wenn darin Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen, vgl die entsprechenden Vorlagebeschlüsse BGH ZIP 11, 1620 und 1622 (Haushaltskunden) und BGH ZIP 11, 962 (Sonderkunden; vgl auch BGH NJW 11, 1342). Für die Sonderkunden hat der EuGH (21.3.13, C-92/11 – RWE Vertrieb, NJW 13, 2253) entschieden, dass Preisänderungsklauseln nichtig sein können, wenn in ihnen nicht der Grund und die Durchführung der Änderung bereits bei Vertragsschluss hinreichend transparent dargestellt werden (aaO Rz 49 ff; s.a. BGH ZIP 16, 78; NJW 16, 2101). Überdies darf eine dem Kunden eingeräumte Kündigungsmöglichkeit nicht bloß formal vorhanden sein (aaO Rz 54). Der BGH hat daraufhin seine ›Leitbild‹-...

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