Gesetzestext

 

(1) Knüpft ein außervertragliches Schuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung, einschließlich von Zahlungen auf eine nicht bestehende Schuld, an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis – wie einen Vertrag oder eine unerlaubte Handlung – an, das eine enge Verbindung mit dieser ungerechtfertigten Bereicherung aufweist, so ist das Recht anzuwenden, dem dieses Rechtsverhältnis unterliegt.

(2) Kann das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 1 bestimmt werden und haben die Parteien zum Zeitpunkt des Eintritts des Ereignisses, das die ungerechtfertigte Bereicherung zur Folge hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat, so ist das Recht dieses Staates anzuwenden.

(3) Kann das anzuwendende Recht nicht nach den Absätzen 1 oder 2 bestimmt werden, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist.

(4) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass das außervertragliche Schuldverhältnis aus ungerechtfertigter Bereicherung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in den Absätzen 1, 2 und 3 bezeichneten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.

A. Allgemeines und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Die seit dem 11.1.09 geltende ROM II (allg hierzu: Vorb zu ROM II) enthält in Art 10 mit dem vorgeschalteten Institut der Rechtswahl (Art 14) drei nach der Absatzfolge gestufte Anknüpfungsregeln für die ungerechtfertigte Bereicherung, also die Korrektur einer Vermögenszuordnung, und ersetzt Art 38 EGBGB, der allerdings außerhalb des zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereichs der ROM II weiterhin anwendbar bleibt (s Art 38 EGBGB Rn 1). Hinzu tritt die Ausweichklausel in IV, die Art 41 I EGBGB sowie der nun für das Deliktsrecht geltenden Regelung in Art 4 III entspricht. Nicht erfasst sind Bereicherungsansprüche im Zusammenhang mit der Verletzung des geistigen Eigentums, die gem Art 13 dem besonderen Deliktsstatut des Art 8 zugewiesen sind, ebenfalls nicht solche Kondiktionstatbestände, die an einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte geknüpft sind. Die letztgenannten Fälle unterfallen gem Art 1 II lit g nicht der VO; für sie gilt weiterhin Art 38 EGBGB Rn 1. Vom Bereicherungsstatut erfasst sind wie bei Art 38 EGBGB alle mit dem jeweiligen Bereicherungsanspruch zusammenhängenden Fragen, so dass insoweit auf die dortige Kommentierung (Rn 3) verwiesen werden kann.

B. Anknüpfungsregeln.

 

Rn 2

Art 10 führt trotz einer formalen Neuordnung der Anknüpfungstatbestände in vielen Fällen zu keinen anderen Ergebnissen, als sie bisher durch Art 38 EGBGB vorgegeben waren (ebenso: Wagner IPrax 08, 1, 11; v Hein VersR 07, 440, 450). Insb der Gleichlauf zwischen Leistungskondiktion und Vertragsstatut einerseits sowie Eingriffskondiktion und Deliktsstatut andererseits ist weiterhin in der VO angelegt (Kadner Graziano RabelsZ 73 (2010), 1, 66), aber nicht ausdrücklich bestimmt. Einige Neuerungen und Änderungen sind zu beachten. Maßgebend für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist eine in der Vorschrift angelegte dreistufige Leiter. Vorrangig ist nach Art 10 I die Anknüpfung an das Recht, dem ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis unterliegt (akzessorische Anknüpfung). Das Rechtsverhältnis, an welches die Anlehnung erfolgt, kann sich aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung ergeben. Weist die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung keine enge Verbindung zu einem bestehenden Rechtsverhältnis auf, so ist nach II die Rechtsordnung des Staates anzuwenden, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Eintritts des vermögensverschiebenden Ereignisses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Ist eine Anknüpfung weder durch Anlehnung an ein bestehendes Rechtsverhältnis noch durch einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien möglich, bestimmt sich das anzuwendende Recht nach dem Recht des Staates, in dem die ungerechtfertigte Bereicherung eingetreten ist (III). Um der Einzelfallgerechtigkeit ausreichend Rechnung zu tragen, ist eine Korrektur des nach den I–III gefundenen Ergebnisses nach IV möglich und auf die ungerechtfertigte Bereicherung eine andere Rechtsordnung anzuwenden, sofern der Sachverhalt mit dieser eine engere Verbindung aufweist. Dabei muss die engere Verbindung aber offensichtlich sein.

 

Rn 3

I knüpft für den Bereicherungsausgleich primär an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis an, wobei der Begriff ›bestehendes Rechtsverhältnis‹ weit zu verstehen ist (›Vertrag und unerlaubte Handlung‹) und insb auch vorvertragliche Rechtsbeziehungen umfasst. In Abgrenzung zu Art 12 I lit e ROM I sind die Folgen der Nichtigkeit von Verträgen dem Anwendungsbereich der ROM II insoweit entzogen. Für alle anderen Arten der Leistungskondiktion wird die akzessorische Anknüpfung an das Schuldstatut festgeschrieben (BGH ZIP 20, 426). Die Anknüpfung gilt auch, wenn ein wirksamer Vertrag nicht bestand (Schlesw BeckRS 21, 26848). In bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnissen greift für die Rückabwicklung rechtsgrundloser Leistungen das Vertragsstatut des Rechtsverhältnisse...

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