Gesetzestext

 

Das nach dieser Verordnung auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ist insbesondere maßgebend für

a) den Grund und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, die für ihre Handlungen haftbar gemacht werden können;
b) die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung;
c) das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung;
d) die Maßnahmen, die ein Gericht innerhalb der Grenzen seiner verfahrensrechtlichen Befugnisse zur Vorbeugung, zur Beendigung oder zum Ersatz des Schadens anordnen kann;
e) die Übertragbarkeit, einschließlich der Vererbbarkeit, des Anspruchs auf Schadenersatz oder Wiedergutmachung;
f) die Personen, die Anspruch auf Ersatz eines persönlich erlittenen Schadens haben;
g) die Haftung für die von einem anderen begangenen Handlungen;
h) die Bedingungen für das Erlöschen von Verpflichtungen und die Vorschriften über die Verjährung und die Rechtsverluste, einschließlich der Vorschriften über den Beginn, die Unterbrechung und die Hemmung der Verjährungsfristen und der Fristen für den Rechtsverlust.
 

Rn 1

Art 15 enthält eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung der Rechtsfragen, für welche das nach der VO anzuwendende Recht gilt. Die Regelung orientiert sich überwiegend am Deliktsstatut und am Verschulden bei Vertragsverhandlungen. Für andere außervertragliche Schuldverhältnisse ist sie entsprechend zu modifizieren (s nur G Wagner IPRax 08, 1, 15). Die genannten Bereiche überschneiden sich teilweise; entscheidend ist aber letztlich nicht die Zuordnung zu einem bestimmten Beispiel innerhalb des Art 15, sondern zum Anwendungsbereich der VO insgesamt. Die Bestimmung des Geltungsbereichs des anzuwendenden Rechts ist zentral für die Einheit der Rechtsanwendung innerhalb der Gemeinschaft: Sie sorgt für eine möglichst einheitliche Qualifikation im Vorfeld der Rechtsanwendung und reduziert zugleich Anpassungsprobleme nach Anwendung der Kollisionsregeln. Durchbrochen wird die Einheitlichkeit allerdings durch Sonderregelungen in der VO selbst, insb durch Art 17 sowie Art 16 und 26, weiterhin durch die ergänzende Anwendung allgemeiner Regeln für von der VO nicht erfasste, gleichwohl mit einem nach der VO zu beurteilenden Sachverhalt im Zusammenhang stehende Fragen, wie zB Vorfragen.

 

Rn 2

Lit a nennt Grund und Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Haftpflichtigen. Der Grund der Haftung erfasst zB die Art der Haftung (verschuldensabhängig oder -unabhängig; wegen der autonomen Qualifikation kommt es auf die Zuordnung zu gesetzlichen Schuldverhältnissen im nationalen Recht nicht an), die Verschuldensdefinition, die Möglichkeit einer Haftung für Unterlassen sowie Fragen des Kausalzusammenhangs (KOM [03] 427 26). Der Umfang der Haftung betrifft zB Haftungshöchstgrenzen (KOM [03] 427 26) und wohl auch die Verzinsung (vgl aber Saarbr BeckRS 19, 7852, wo lit b genannt wird). Die Person des Haftpflichtigen ist zB für die Handlungs- bzw Deliktsfähigkeit und Zurechnung (Heiss/Loacker JBl 07, 613, 645; G Wagner IPRax 08, 1, 15), für die Haftung für Täterschaft und Beteiligung sowie die Haftung mehrerer (zum Innenausgleich s Art 20) und schließlich für die Bestimmung der Haltereigenschaft iRd Gefährdungshaftung (BeckOK/Spickhoff Art 15 Rz 4) von Bedeutung. Unklar war bislang, ob bei mehreren Beteiligten ggf mehrere unterschiedliche Anknüpfungen nebeneinander in Betracht kommen oder ob hier einheitlich angeknüpft werden muss (Ddorf GRUR 16, 616, 620 [OLG München 28.01.2016 - 29 U 2798/15]; ZVertriebsR 16, 114, 119). Aus Art 15 selbst lässt sich keine eindeutige Lösung ableiten. Schon weil nicht immer von vornherein alle Beteiligten feststehen dürften (gerade bei Immaterialgüterrechtsverletzungen wie im Vorlagefall, die auch mehrfach erfolgen können) und auch mangels einer Regelung für die Bestimmung des bei einer einheitlichen Anknüpfung notwendig zu ermittelnden vorrangigen Rechts erscheint es sinnvoller, in erster Linie separat anzuknüpfen (s jetzt auch Schulte Schädigermehrheit im europäischen internationalen Deliktsrecht 20, 168 f). Der EuGH (GRUR 17, 1120 Rz 91 ff) favorisiert in Bezug auf Art 8 II Rom II tw eine einheitliche Anknüpfung mit Hilfe einer Gesamtwürdigung des schädigenden Verhaltens. Das mag gerade für gemeinschaftsweite Immaterialgüterrechte sinnvoll sein (wurde aber auch insoweit mittlerweile tw eingeschränkt, s.o. Art 8 Rn 5), nicht aber zwingend auch für alle anderen Fälle mit mehreren Betroffenen.

 

Rn 3

Nach lit b werden Haftungsausschlussgründe sowie Beschränkung und Teilung der Haftung erfasst; darunter fasste die Kommission etliche Fragen, die aus deutscher Sicht auch schon zur Haftungsbegründung iSv lit a gerechnet werden könnten, wie zB das Eingreifen von Rechtfertigungsgründen, die Anrechnung einer Mitverantwortlichkeit des Geschädigten oder Haftungseinschränkungen zwischen bestimmten Personen, zB Ehegatten (KOM [03] 427 26). Die Einbeziehung von Haftun...

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