Rn 6

Der Begriff ›vertragliche Schuldverhältnisse‹ (›contractual obligations‹, ›obligations contractuelles‹) dient der Abgrenzung zu ROM II, die auf ›außervertragliche Schuldverhältnisse‹ Anwendung findet (Lüttringhaus RabelsZ 13, 31, 44; Leible/Lehmann RIW 08, 528, 529). Der Begriff wird in der Verordnung nicht definiert. Erforderlich ist eine freiwillig eingegangene Verpflichtung. Dies hat der EuGH jetzt ausdrücklich für ROM I entschieden (EuGH Urt v 21.1.16 – C – 359/14 u C-475/14, – ERGO Insurance et al. Rz 44) und dabei auf die entsprechende Rspr (EuGH Urt v 17.6.92 – C-26/91, Slg 92, I-3967 – Handte Rz 15) zu Art 5 Nr 1 EuGVO zum autonom entwickelten Vertragsbegriff zurückgegriffen (arg Erw 7, dazu auch Bitter IPRax 08, 96, 97 f; oben Vor ROM I Rn 13). Um das Ziel der Entwicklung des Binnenmarkts zu erreichen (Erw 1), ist der Vertragsbegriff weit auszulegen und erfasst auch neuere Entwicklungen wie zB Blockchain-Netzwerke und Smart Contracts (MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 7 mwN) wie zB den Abschluss von Verträgen per Electronic Data Interchange (›EDI‹). Ergänzend können ›allgemeine Rechtsgrundsätze‹ herangezogen werden, die der EuGH bei autonomer Auslegung von unionsrechtlichen Begriffen rechtsvergleichend aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen gewinnt (s zB EuGH Urt v 14.10.76 – C-29/76 – Slg 76, I-1541 LTU Rz 5); dabei kann auch auf den – bislang rein akademischen – DCFR zurückgegriffen werden (s Vor ROM I Rn 14). Die unionsrechtlich autonome Auslegung wird zu entscheiden haben, inwieweit der Begriff auch Verfügungsgeschäfte erfasst; denn die Mehrheit der Mitgliedstaaten der EU kennt kein Abstraktionsprinzip (s die Übersicht bei Kimphove, Das europäische Sachenrecht (2006), S 82), so dass Verfügungsgeschäfte bereits aufgrund des Konsensprinzips stets mit erfasst sein müssten (s zB Art 4 Rn 12). Anders als Art 4 S 2 lit b CISG enthält die ROM I keine Ausklammerung der ›Wirkungen, die der Vertrag auf das Eigentum an der verkauften Ware haben kann‹. Die Auslegung von Art 1 I dürfte ein Erkenntnisprozess über Jahre werden; die Union hat die Kompetenz, insgesamt Kollisionsnormen zu erlassen (Art 81 II lit c AEUV). In Deutschland hat sich eine gut vertretbare Meinung herausgebildet, nach der Schuldverträge nach Rechtsordnungen, die kein Abstraktionsprinzip kennen, ROM I unterliegen ›auch soweit ein nationales Recht ihnen eigentumsübertragende und damit dingliche Wirkung beilegt‹ (Staud/Magnus Art 1 ROM I Rz 28). Damit bleibt es für die verpflichtenden Wirkungen beim Vertragsstatut, für die Übertragunsgwirkung beim Sachenrechtstatut (Staud/Magnus Art 1 ROM I Rz 28; Rauscher/von Hein Art 1 Rz 11).

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