Rn 18

Nach III 2 erlischt das Widerrufsrecht bei Verträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden und sich nicht auf Finanzdienstleistungen beziehen, nach zwölf Monaten und 14 Tagen. Dies gilt auch dann, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsgem nach III belehrt hat (vgl BTDrs 17/12637, 62). Im Vergleich zur bisherigen Rechtslage stellt dies eine Erleichterung für den Unternehmer dar. Nach § 355 IV 3 Hs 1 aF erlosch das Widerrufsrecht für den Verbraucher nicht, wenn er durch den Unternehmer nicht ordnungsgem belehrt wurde.

 

Rn 19

Für Verträge über Finanzdienstleistungen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, gilt diese Erleichterung nicht (vgl III 3). Kommt der Unternehmer insoweit seinen Belehrungspflichten aus § 312d II nicht nach, erlischt das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht. In diesem Fall hat er ein sog ›ewiges Widerrufsrecht‹. Insoweit bleibt es damit bei der früheren, sich aus § 355 IV 3 Hs 2 aF ergebenden Rechtslage (vgl dazu auch BTDrs 17/12637, 62). Zur Einrede der Verwirkung s Rn 22.

 

Rn 20

Seit Inkrafttreten des WoImmoKrRL-UG (Vor §§ 355 ff Rn 5) ist dies allerdings nur noch für die Erbringung solcher Finanzdienstleistungen iSd § 312 V 1 der Fall, die nicht als Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zu qualifizieren sind (§ 356b Rn 2 ff). Zur Entwicklung Gsell in FS Müller-Graff 15, 183; Omlor NJW 16, 1265; Kreße WM 17, 1485.

 

Rn 21

Die im Vergleich zu III 2 unterschiedliche Rechtslage bei Verträgen über Finanzdienstleistungen nach III 3 ergibt sich daraus, dass die VRRL, auf die III 2 zurückgeht, für Finanzdienstleistungen nicht gilt. Aufgrund von Art 6 I FernabsFinDienstlRL (RL 2002/65/EG) war eine Ausweitung der Regelung des III 2 jedoch auf Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nicht möglich. Zwar gilt die FernabsFinDienstlRL nicht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge über Finanzdienstleistungen – der Gesetzgeber ist insoweit nicht durch Richtlinien gebunden – so dass für diese Verträge ein ›ewiges Widerrufsrecht‹ nicht erforderlich gewesen wäre. Unterschiedliche Regelungen für Verträge über Finanzdienstleistungen je nach Vertriebsform sind jedoch aus dem bereits unter Rn 11 genannten Grund abzulehnen.

 

Rn 22

Eine Erleichterung für den Unternehmer, wenn auch nur in geringem Umfang, bringt jedoch IV Nr 4 (Rn 25). Weiter ist in Extremsituationen an eine Unwirksamkeit des Widerrufs des Verbrauchers nach § 242 zu denken (allg Mankowski JZ 16, 787; Rieländer AcP 216, 763; Sesing JR 17, 549), etwa wenn die fehlende Information für den Abschlusswillen offenbar keine Rolle gespielt hat, der Widerruf des Verbrauchers wegen überlegenen Sonderwissens rechtsmissbräuchlich wäre (Stuttg VersR 15, 878 Rz 38 ff; Dawirs NJW 16, 439), wenn sich der Widerrufende allein auf eine lediglich formale Rechtstellung beruft (Brandbg 2.12.20 – 4 U 93/20; 16.6.21 – 4 U 192/20; Frankf 19.5.21 – 17 U 101/20 Rz 116; Hamm NJW-RR 22, 131 [OLG Hamm 23.08.2021 - 18 U 200/20] verlangt sachliche Gründe und nicht nur eine bloße Bereicherungsabsicht für den Widerruf; ähnlich auch Stuttg 22.12.20 – 6 U 276/19) oder einem Selbstwiderspruch gleichkäme (Frankfurt 7.8.15 – 19 U 5/15, juris Rz 52 ff; s.a. Stuttg 6.12.16 – 6 U 95/16, juris Rz 22 ff: vorbehaltlose Weiterzahlung). Rechtsmissbrauch kann vorliegen, wenn in Kenntnis des erklärten Widerrufs Rechte aus einem vertraglichen Rückgaberecht hergeleitet werden (Braunschw WM 22, 2024). Nicht ausreichend ist allemal, wenn der vom Gesetzgeber mit der Einräumung des Widerrufsrechts intendierte Schutzzweck für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht leitend war (BGHZ 211, 105 Rz 23; s.a. § 355 Rn 2); das ist darin begründet, dass der Widerruf gerade keiner Begründung bedarf (Hamm 10.5.21 – 31 U 8/21). Ebenfalls allein nicht ausreichend ist es, wenn ein finanziertes Fahrzeug nach Widerrufserklärung weiter genutzt wird (Celle ZIP 22, 1260; aA wohl Ddorf 4.11.21 – I 16 U 291/20 – juris (anhängig BGH – XI ZR 527/21); Naumbg 6.10.21 – 5 U 66/21 – juris). Fraglich ist auch die Vereinbarkeit des Rechtsmissbrauchsvorwurfs mit den Vorgaben des Unionsrechts (konkret: Art 14 I VerbrKrRL); hierzu liegt eine EuGH-Vorlage des BGH vor (ZIP 22, 472 Rz 57 ff; anhängig C-117/22).

 

Rn 22a

Möglich ist indessen eine Verwirkung des Widerrufsrechts (BGH aaO Rz 39 mN). Notwendig ist stets eine Einzelfallbetrachtung; Vermutungen bestehen insofern nicht (BGH WM 18, 2274 Rz 14; WM 18, 2275 Rz 12 mN zum Verbraucherdarlehensvertrag; Herresthal NJW 19, 13). Eine Verwirkung kommt jedenfalls nicht schon dann in Betracht, wenn seit Vertragsschluss längere Zeit vergangen ist (etwa Frankf NJW-RR 20, 753). Aus den gesetzlichen Verjährungshöchstfristen kann jedenfalls nicht auf ein ›Mindestzeitmoment‹ zurückgeschlossen werden (BGH WM 17, 2247 Rz 9). Neben dem Zeitmoment ist va das Umstandsmoment problematisch. Teilweise wird angenommen, dass sich ein Vertrauen des Widerrufsadressaten auf ein Unterbleiben der Widerrufserklär...

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