Rn 5

Bei Verbraucherdarlehensverträgen beginnt die Frist nicht schon mit dem Vertragsschluss (§ 355 II), sondern nach I erst dann, wenn der Verbraucher zusätzlich eine Vertragsurkunde oder etwas Ähnliches erhält. Der Fristbeginn erfordert nicht, dass die dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Abschrift seines Antrages von ihm auch unterschrieben worden ist. Eine Abschrift des Vertrages ist dem Verbraucher auch dann ›zur Verfügung gestellt‹ worden, wenn er diese umgehend einem von ihm beauftragten Dritten aushändigt (Frankfurt MDR 12, 508 [OLG Koblenz 05.03.2012 - 5 U 1499/11]). Dies gilt nur dann, wenn die in II 1 für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und in II 2 für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge genannten, reduzierten Pflichtangaben enthalten sind (Braunschw VuR 20, 397; einschr Ring NJW 20, 435); ansonsten beginnt die Widerrufsfrist erst mit der Nachholung dieser Angaben (§ 492 VI). Wegen der Ausgestaltung der Pflichtangaben im Zusammenhang mit der konkreten Angabe des Verzugszinssatzes (die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes soll hier nicht erforderlich sein, BGHZ 224, 1; anders jedoch im Geltungsbereich der VerbrKrRL BGH NJW 22, 2540 Rz 15) sowie über die Frage, ob ein nachvollziehbarer Rechenweg für die Vorfälligkeitsentschädigung angegeben werden muss (BGHZ 224, 1), hat der EuGH entschieden, dass die Rechenmethode konkret und für einen Durchschnittverbraucher leicht nachvollziehbar angegeben werden muss, damit dieser die Höhe der Entschädigung bestimmen kann (EuGH 9.9.21, C-33/20, C-155/20, C-187/20 – Volkswagen Bank, NJW 22, 40 Rz 96 ff). Nach Ansicht des BGH wirken sich fehlende Angaben zur Vorfälligkeitsentscheidung nicht auf das Anlaufen der Widerrufsfrist aus (BGH JZ 20, 1067 [BGH 28.07.2020 - XI ZR 288/19]). In diesem Fall beträgt die Widerrufsfrist abweichend von § 355 II 1 nach II 3 einen Monat (Beginn: mit Erhalt der nachgeholten Angaben, s § 494 VI 4). Die Pflichtangaben müssen allerdings nicht gesondert hervorgehoben werden (BGHZ 209, 86 Rz 24); auch ist es unschädlich, dass Ankreuzoptionen in der formularmäßigen Widerrufsinformation enthalten sind (BGH aaO Rz 41; NJW 17, 1306 [BGH 22.11.2016 - XI ZR 434/15] Rz 12).

 

Rn 5a

Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die Pflichtangaben nicht vollständig genannt werden, sondern hierfür lediglich auf § 492 II verwiesen wird (EuGH 26.3.20, C-66/19 – Kreissparkasse Saarlouis, ZIP 20, 663; so nun auch BGHZ 227, 253Rz 16; ZIP 21, 26 Rz 17; BKR 21, 371; einschränkend Saarbr 28.1.21 – 4 U 7/20 Rz 112 ff [anhängig BGH XI ZR 74/21]). Dies steht im Widerspruch zu der in Art 247 § 6 II 3 EGBGB statuierten Gesetzlichkeitsfiktion bei Erfüllung der dort normierten Anforderungen an die Widerrufsbelehrung (s die EuGH-Vorlage LG Ravensburg 8.1.21 – 2 O 160/20, anhängig unter C-47/21). Der BGH hält diesbezüglich eine richtlinienkonforme Rechtsanwendung wegen des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers für ausgeschlossen (BGH WM 20, 838 Rz 10 ff). Die Fiktion kam daher bis zur legislatorischen Änderung (Rn 5b) weiterhin zur Anwendung. Betroffenen Verbrauchern bleibt nur der (wenig erfolgsversprechende) Staatshaftungsanspruch (Stürner, Europäisches Vertragsrecht 21, § 24 Rz 13 ff). Zur Verwirkung des Widerrufsrechts bereits § 356 Rn 22.

 

Rn 5b

Das Gesetz v. 9.6.21 zur Anpassung des Finanzdienstleistungsrechts an die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 11.11.19 in der Rs C-383/18 und vom 26.3.20 in der Rs C-66/19 (BGBl I 1666), brachte mWv 15.6.21 eine Neufassung der gesetzlichen Musterwiderrufsinformation für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge in Anlage 7 zu Art 247 § 6 II und § 12 I EGBGB ohne inhaltliche Änderungen der Pflichtangaben (s Kirchner MDR 21, 1361). Doch wird in ihr der Kaskadenverweis hinsichtlich der Pflichtangaben dahin aufgelöst, dass die in Art 247 §§ 6–13 EGBGB geregelten Pflichtangaben gem Art 10 VerbrKrRL, soweit sie für ein Widerrufsrecht relevant sein können, nunmehr in der Widerrufsinformation selbst aufgelistet werden. Auch im Übrigen werden gesetzliche Querverweise vermieden (BTDrs 19/26928, 16).

 

Rn 6

III knüpft für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge an die Vorschrift des § 494 an, in dem die Rechtsfolgen von Formmängeln geregelt sind. Hat der Unternehmer solche Mängel nach § 494 II–VI geheilt, so ist dem Verbraucher nach § 494 VII eine Abschrift des Vertrags zur Verfügung zu stellen, aus der sich der Inhalt des Vertrags ergibt. Nach III beginnt die Widerrufsfrist erst zu diesem Zeitpunkt. Eine entgegen II 1 unvollständige Abschrift vermag den Fristlauf nicht auszulösen. Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge besteht kein Regelungsbedarf, da der Beginn der Widerrufsfrist hier an die Erteilung der vertraglichen Widerrufsinformation und nicht auch an die Erfüllung der weiteren vertraglichen Pflichtangaben geknüpft ist (II 2).

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