Gesetzestext

 

Ist die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistung ihrer Natur nach ausgeschlossen, schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz. Bei der Berechnung des Wertersatzes ist die vereinbarte Vergütung zugrunde zu legen. Ist die vereinbarte Vergütung unverhältnismäßig hoch, ist der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwertes der erbrachten Leistung zu berechnen.

A. Regelungsgegenstand und -zweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift wurde zusammen mit § 356e aF eingefügt durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren vom 28.4.17 (BGBl I 969), das am 1.1.18 in Kraft getreten ist. Sie regelt die Frage der Wertersatzpflicht nach Widerruf eines Verbraucherbauvertrags (§ 650i I), den § 650l ermöglicht, und ergänzt damit § 355 III (s Magnus JZ 19, 224, 228 ff). In Bezug auf die Korrektur des Wertersatzanspruchs bei erheblichem Missverhältnis zwischen den vereinbarten Leistungen findet sich in S 3 eine Verhältnismäßigkeitskontrolle, die sich an § 357a II 2 und 3 orientiert (Rn 4). Vorgaben der VRRL (s dazu Vor §§ 312 ff Rn 3) bestehen insoweit nicht, da der Verbraucherbauvertrag außerhalb von deren Anwendungsbereich liegt (Art 3 III lit f VRRL; s.a. § 312 II Nr 3). Die Einfügung eines neuen § 357a durch das Gesetz v 10.8.21 (BGBl I 3483; s. Vor §§ 312 Rn 4a) hat mWv 28.5.22 im Zuge der Umsetzung der sog ModernisierungsRL zu einer entsprechenden Verschiebung geführt.

B. Inhalt.

I. Wertersatzpflicht.

 

Rn 2

Nach § 355 III sind die empfangenen Leistungen im Falle des Widerrufs unverzüglich (§ 121 I 1) zurückzugewähren; es entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis eigener Art (§ 355 Rn 13). Eine Höchstfrist ist anders als in § 357 I nicht vorgesehen. Da sich die Rückerstattung der Bauleistungen beim Verbraucherbauvertrag oft schwierig gestaltet, weil der vom Verbraucher empfangene Wertzuwachs nicht in natura herausgegeben werden kann (der RegE nennt beispielhaft den Aushub der Baugrube, das Betonieren von Fundamenten oder die Errichtung eines Dachstuhls, BRDrs 123/16, 38), ordnet S 1 einen Wertausgleich an. Dabei handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage, die verschuldensunabhängig ausgestaltet ist und weitere Anspruchsgrundlagen verdrängt (§ 361 I; Lenkeit BauR 17, 454, 467 f).

 

Rn 3

Wo die Rückgewähr möglich ist, wie etwa bei noch nicht eingebautem Baumaterial, greift hingegen § 355 III. Dies umfasst auch die Verpflichtung des Unternehmers, bereits verbaute Materialien ggf zu demontieren, sofern dies ohne Zerstörung oder wesentlichen Wertverlust möglich ist. Da der Wertersatzanspruch den Verbraucher regelmäßig stärker belastet als die Duldung der Rücknahme, sollte er auf echte Unmöglichkeitsfälle beschränkt bleiben (Lenkeit BauR 17, 615, 622; BeckOGK/Reiter Rz 8).

 

Rn 4

Die Wertersatzpflicht nach S 1 ist – anders als nach § 357a II 1 – nicht von einem ausdrücklichen Verlangen des Verbrauchers vom Unternehmer abhängig, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginne (Grüneberg/Grüneberg Rz 2).

II. Berechnung.

 

Rn 5

Für den Umfang des Wertersatzanspruchs bleibt außer Betracht, ob die Leistungen des Unternehmers zu einem konkreten Wertzuwachs auf Seiten des Verbrauchers geführt haben. Entscheidend ist allein, welche Leistungen zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits erbracht wurden. Für die Berechnung des Wertersatzes ist nach S 2 die vereinbarte Vergütung maßgeblich, der objektive Wert der Leistung spielt keine Rolle (s.a. § 357a II 2, dort Rn 15). Vor diesem Hintergrund erscheint der Vorschlag, dem Verbraucher einen pauschalen Abschlag iHv 10–15 % zuzubilligen, weil die bis Widerruf erbrachten Teilleistungen für ihn nur von bedingtem Wert seien (so BeckOGK/Reiter Rz 11, 13), kaum mit Wortlaut und Systematik des § 357e vereinbar.

III. Einschränkungen.

 

Rn 6

Die Grenze dieser Berechnungsweise wird durch eine Verhältnismäßigkeitskontrolle markiert (S 3), die sich bereits in § 357a II 3 findet (dort Rn 16). Ob die vereinbarte Vergütung unverhältnismäßig hoch liegt, muss in einer Einzelfallabwägung ermittelt werden, in deren Rahmen insb der vom Unternehmer betriebene Aufwand und das wirtschaftliche Interesse des Verbrauchers an der Leistung einzustellen sind. Feste Wertgrenzen verbieten sich; die Unverhältnismäßigkeit liegt jedenfalls unterhalb der Grenze des § 138. In der Literatur wird vielfach eine 20 %-Grenze vorgeschlagen (Grüneberg/Grüneberg Rz 2; BeckOGK/Reiter Rz 14). Wird die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit überschritten, tritt der Marktwert an die Stelle der vereinbarten Vergütung als Grundlage der Wertberechnung. Hier wird es auf die übliche Vergütung für vergleichbare Bauleistungen ankommen (§ 650i III, 650a I 2 iVm § 632 II).

 

Rn 7

Ein Sonderproblem stellt sich, wenn das bis zum Widerruf erbrachte Werk Mängel aufweist. Das Gewährleistungsrecht kommt ab Widerruf nicht mehr zur Anwendung. Andererseits würde über die anhand der Vertragsvereinbarungen zu berechnende Wertersatzpflicht der entsprechende Anteil an der vollen Vergütung ges...

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