Gesetzestext

 

(1) Der Schuldner hat das Recht, die hinterlegte Sache zurückzunehmen.

(2) Die Rücknahme ist ausgeschlossen:

1. wenn der Schuldner der Hinterlegungsstelle erklärt, dass er auf das Recht zur Rücknahme verzichte,
2. wenn der Gläubiger der Hinterlegungsstelle die Annahme erklärt,
3. wenn der Hinterlegungsstelle ein zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner ergangenes rechtskräftiges Urteil vorgelegt wird, das die Hinterlegung für rechtmäßig erklärt.

A. Rücknahmerecht.

 

Rn 1

Der Hinterleger kann die Hinterlegungsmasse jederzeit zurücknehmen, soweit das Rücknahmerecht nicht nach II erloschen ist. Eines Nachweises seiner Empfangsberechtigung bedarf es dann grds nicht. Seiner Rechtsnatur nach ist das Rücknahmerecht ein Gestaltungsrecht, das durch formfreie Erklärung ggü der Hinterlegungsstelle ausgeübt wird. Es besteht auch, wenn der Schuldner zur Hinterlegung verpflichtet ist (Karlsr NZG 14, 578). Das öffentlich-rechtliche Hinterlegungsverhältnis wird in ein Abwicklungsrechtsverhältnis umgestaltet und ein von den dinglichen Rechtsverhältnissen unabhängiger öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch des Schuldners gegen die Hinterlegungsstelle begründet. Solange das Rücknahmerecht besteht, tritt die Erfüllungswirkung nach § 378 nicht ein. Der Schuldner kann aber das Leistungsverweigerungsrecht nach § 379 geltend machen. Die Rechtsfolgen der Rücknahme regelt § 379 III.

B. Ausschluss der Rücknahme.

I. Voraussetzungen.

1. Verzicht.

 

Rn 2

Der Verzicht ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Schuldners ggü der Hinterlegungsstelle. Er ist unwirksam, wenn ein Verfügungsverbot nach §§ 135, 136 eingreift (München OLGR 97, 183). Ein nachträglicher Verzicht ist möglich (Naumbg OLGR 08, 455). Erst mit dem Verzicht erlangt der Gläubiger eine geschützte Rechtsposition (Karlsr NZG 14, 578; s.a. § 378).

2. Annahme durch den Gläubiger.

 

Rn 3

Die Annahme ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Gläubigers ggü der Hinterlegungsstelle. Bei mehreren Gläubigern reicht die Annahme durch einen von ihnen, weil die Empfangsberechtigung alsdann zwischen den Gläubigern zu klären ist und damit das Beteiligungsinteresse des Schuldners erlischt. Der Gläubiger kann auch im Falle einer unberechtigten Hinterlegung die Hinterlegung annehmen. Damit wird die Hinterlegung nachträglich mit einem Hinterlegungsgrund unterlegt und, falls es an diesem fehlte, rechtmäßig (BGH NJW 93, 55).

3. Rechtskräftiges Urteil.

 

Rn 4

Das Urt muss die Hinterlegung für rechtmäßig erklären. Dementspr kann es sich um ein Feststellungs- oder Zwischenfeststellungsurteil handeln. Auch eine inzidente Feststellung der Rechtmäßigkeit reicht aus, wenn der Schuldner mit der Einrede des § 379 ggü der Leistungsklage eines Gläubigers durchdringt. Da § 376 II nur das Ausscheiden des Schuldners aus dem Hinterlegungsverfahren im Blick hat, reicht es aus, wenn die Hinterlegung im Verhältnis zu mindestens einem Gläubiger rechtmäßig und geeignet zur Herbeiführung der Erfüllungswirkung des § 378 ist. Deshalb ist ein Urt in einem Verfahren zwischen einem Schuldner und einem von ggf mehreren Gläubigern erforderlich, aber auch ausreichend. Ein Urt in einem Prätendentenstreit genügt nicht, weil der Schuldner hieran nicht beteiligt ist. Schuldner und Gläubiger können in diesem Fall nach Nr 1 oder Nr 2 vorgehen. Die Rechtmäßigkeit der Hinterlegung ist zu unterscheiden von der Empfangsberechtigung, für deren Nachweis der Empfänger eine gegen alle (verbleibenden) Beteiligten wirkende rechtskräftige Entscheidung benötigt (zB § 22 III Nr 2 HintG BW).

II. Wirkungen des Ausschlusses.

 

Rn 5

Durch den Ausschluss des Rücknahmerechts endet grds die Verfahrensbeteiligung des Schuldners. Sein Gestaltungsrecht nach § 376 I erlischt. Er scheidet aus dem Kreis der nach den Hinterlegungsgesetzen (zB §§ 21 ff HintG BW) Empfangsberechtigten aus. Allerdings bleibt der Schuldner auch nach einem Rücknahmeverzicht befugt, weitere Empfangsberechtigte zu benennen (BGH NJW 60, 1003). Außerdem kann der Schuldner die Einhaltung einer etwaigen Bedingung nach § 373 verlangen. Spätestens mit der Annahme der Hinterlegung erwirbt der Gläubiger mittelbaren Besitz an einem hinterlegten Gegenstand; die Hinterlegungsstelle ist Besitzmittler (RGZ 135, 271, 274).

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