1. Unselbstständige Rechnungsposten.

 

Rn 4

Eine Aufrechnung setzt voraus, dass sich zwei selbstständige Forderungen gegenüberstehen. Einer Aufrechnung bedarf es dann nicht, wenn lediglich einzelne Abrechnungsposten innerhalb eines einheitlichen Anspruchs einander gegenüberstehen, wie dies etwa aufgrund der Saldotheorie bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gegenseitiger Verträge der Fall ist. Kein bloßes Abrechnungsverhältnis liegt zB bei Zahlungsansprüchen des Lieferanten und demgegenüber geltend gemachten Schadensersatzansprüchen des Bestellers oder Käufers vor, sofern die Leistung als solche als (wenn auch mangelhafte) Erfüllung angenommen wurde (BGH NJW 05, 2771 [BGH 23.06.2005 - VII ZR 197/03]; Karlsr OLGR 04, 69; aA Köln OLGR 01, 71 zum Architektenvertrag).

2. Verrechnung, Verrechnungsabrede und Aufrechnungsvertrag.

 

Rn 5

Von der Aufrechnung zu unterscheiden ist die sog Verrechnung. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit steht es den Parteien frei, über die im Gesetz vorgesehenen Fälle des Erlöschens eines Schuldverhältnisses hinaus weitere Tatbestände zu vereinbaren (›Erfüllungsersetzungsvertrag‹). Hierunter fällt auch eine Verrechnungsabrede, teilweise auch als Aufrechnungsvertrag bezeichnet. Die Verrechnung führt regelmäßig nur zum Erlöschen der Forderung. Dies lässt, wenn nicht weitere Vereinbarungen hinzutreten, die sonstigen Modalitäten der Erfüllung unberührt (Jena OLGR 01, 515). Welche Modalitäten für die Verrechnung gelten, hängt von den Abreden der Parteien ab. Regelmäßig ist im Falle einer vereinbarten Verrechnung gewollt, dass einander gegenüberstehende Forderungen zu dem von den Parteien vereinbarten Zeitpunkt erlöschen, ohne dass es hierfür einer weiteren Erklärung einer Seite bedarf (BGHZ 94, 132; NJW-RR 03, 1358). Sind künftige Forderungen betroffen, so ist die Erlöschenswirkung aufschiebend bedingt (Jena OLGR 01, 515). In Einzelfällen kann auch das Gesetz eine Verrechnung vorsehen, für die es nicht auf die §§ 387 ff ankommt (BAG EzTöD 700 TV ATZ Nr 21: § 41c I EStG)

 

Rn 6

Für die Verrechnung kommt es auf die Voraussetzungen der Aufrechnung nicht an. Das Einverständnis der Parteien schafft die rechtliche Grundlage für das Erlöschen der zu verrechnenden Forderungen, auch wenn die Voraussetzungen des § 387 nicht vorliegen. Denkbar ist auch der vertraglich vereinbarte Verzicht auf einzelne Aufrechnungsvoraussetzungen, namentlich auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit (BGH WM 77, 760). Entscheidend ist, dass an der Vereinbarung diejenigen Personen beteiligt sind, die über die zu tilgenden Forderungen verfügen können (BGHZ 94, 132). Allerdings hat die Rspr angenommen, dass Aufrechnungsverträge bei Nichtbestehen der Forderung einer Seite unwirksam sind (BGH NJW-RR 91, 744). Richtigerweise ist vom anfänglichen Fehlen einer objektiven Geschäftsgrundlage iSd § 313 II auszugehen.

 

Rn 7

Derartige Abreden kommen insb in Form der sog Konzernverrechnungsvereinbarungen vor. Dies gilt sowohl für den Fall, dass ein konzernangehöriges Unternehmen zur Aufrechnung mit eigenen Forderungen auch gegen Forderungen des Vertragspartners anderer konzernangehöriger Unternehmen berechtigt sein soll, wie auch für den umgekehrten Fall, dass ein Konzernunternehmen befugt ist, eigene Verbindlichkeiten durch Verrechnung mit Forderungen anderer konzernangehöriger Unternehmen gegen denselben Vertragspartner zu tilgen (BGHZ 81, 15, 17; 94, 132; WM 66, 651, 652; NJW-RR 03, 1358). Insolvenzrechtliche Aufrechnungsschranken sind entspr heranzuziehen (BGHZ 81, 15).

3. Kontokorrent.

 

Rn 8

Das Kontokorrent nach § 355 HGB bewirkt, dass die hiervon erfassten Einzelforderungen in eine laufende Rechnung eingestellt und dort verrechnet werden. Die Einzelforderungen werden hierdurch während der laufenden Rechnungsperiode ›gelähmt‹. Sie können also grds nicht einzeln geltend gemacht und zur Aufrechnung genutzt werden. Alsdann fließen sie in das am Ende der Rechnungsperiode zu erteilende Saldoanerkenntnis ein. Eine Aufrechnungsmöglichkeit, die hinsichtlich einer Einzelforderung im Kontokorrent ggü einer Forderung außerhalb des Kontokorrents bestand, bleibt aber als Sicherheit nach dem weiten Sicherheitsbegriff des § 356 HGB für die Saldoforderung erhalten (BGH BB 55, 715).

4. Zurückbehaltungsrecht.

 

Rn 9

Soweit die Voraussetzungen einer Aufrechnung vorliegen, ist für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 kein Raum. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts wird dann regelmäßig in eine Aufrechnungserklärung umgedeutet (BGH NJW 00, 278 [BGH 01.10.1999 - V ZR 162/98]).

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