1. Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts.

 

Rn 2

Der Regelungsbereich des werkvertraglichen Mängelhaftungsrechts ist in mehrfacher Weise begrenzt. Er umfasst – selbstverständlich – zunächst nur die Fälle, in denen überhaupt Werkvertragsrecht Anwendung findet. Das ist in der Praxis indes nicht immer leicht zu entscheiden, wie die mannigfaltigen Abgrenzungsprobleme gerade bei häufig auftretenden gemischten Verträgen zeigen (s iE Vor §§ 631–651 Rn 5 ff). An der besonders virulenten Schnittstelle zwischen Werkvertrag und Kauf (vgl Vor §§ 631–651 Rn 6 u 15) ist zudem § 651 zu beachten, wodurch Lieferverträge über bewegliche Sachen selbst dann weitgehend dem Kaufrecht unterstellt sind, wenn mit ihnen eine auf die Sache bezogene Herstellungsverpflichtung einhergeht (s iE § 651 Rn 3 ff).

 

Rn 3

Die präzise Unterscheidung zwischen werk- und kaufvertraglichen Leistungspflichten ist trotz der vom Gesetzgeber mit der Schuldrechtsmodernisierung gerade insoweit angestrebten (allerdings in vielen Punkten verfehlten) Vereinheitlichung des Schuldrechts entgegen der in diesem Punkt oft indolenten Vertrags- und Rechtspraxis gerade für das Sachmängelhaftungsrecht keineswegs obsolet geworden. Zu nennen sind Divergenzen hinsichtlich des Zeitpunkts des Gefahrübergangs (Werkvertrag: bei Abnahme – § 644 I 1; Kaufvertrag: bei Ablieferung/Versendung – §§ 446, 447), des Rechtsverlustes bei Mangelkenntnis (Werkvertrag: positive Kenntnis – § 640 II; Kaufvertrag: grob fahrlässige Unkenntnis reicht – § 442) und des Wahlrechts betreffend die Art und den Umfang der (geschuldeten) Nacherfüllung (Werkvertrag: Unternehmer – § 635 I; Kaufrecht: Käufer – § 439 I; zu den Rechtsfolgen: Köln BauR 06, 687; zu weitgehend: OLG Karlsr BauR 05, 109; vgl auch Leupertz BauR 06, 1648, 1653 f). Das Kaufvertragsrecht kennt keine Selbstvornahme, keinen Kostenersatz und dementspr auch keine Vorschusspflicht (§ 637 III), die indes gerade für die Abwicklung von nicht selten kostenintensiven baubezogenen Mängeln von großer praktischer Bedeutung für den Bauherrn sein kann. Für den beiderseitigen Handelskauf droht bei Verstößen gegen die sich aus §§ 377 ff HGB ergebenden Prüfungs- und Anzeigepflichten für den Käufer der totale Rechtsverlust. Weil das auch für Vertragskonstellationen im Regelungsbereich des § 651 (vgl § 381 II HGB) gilt, läuft der nach Werkvertragsrecht wegen Mängeln der von ihm beschafften Bauteile oder Baustoffe in Anspruch genommene Werkunternehmer mit uU desaströsen Folgen Gefahr, den Schaden nicht an seinen Lieferanten weitergegeben zu können (vgl Dresd IBR 00, 228 – Frauenkirche; iE Leupertz BauR 06, 1648, 1654 f). Und schließlich können die Parteien eines (reinen) Kaufvertrages wegen der strukturellen Unterschiede zum Werkvertrag und der dadurch bedingten Verschiebung des gesetzlichen Leitbildes die VOB/B mit den darin enthaltenen Sonderreglungen zum Sachmängelhaftungsrecht (§§ 4, 13 VOB/B) kaum wirksam vereinbaren (vgl Thode NZBau 02, 360, 362).

2. Verhältnis zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht.

 

Rn 4

Dogmatisch folgt aus der Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts die Erkenntnis, dass die Herstellung eines mangelhaften Gewerkes als Unterfall der (teilweisen) Nichterfüllung des Vertrages zu behandeln ist. Das ändert freilich nichts daran, dass die im Werkvertragsrecht verbliebenen, vertragsspezifischen Vorschriften zum Mängelhaftungsrecht abschließende Sonderregelungen darstellen, die den allg Vorschriften vorgehen (BRHP/Voit, § 634 Rz 2 f; NK-BGB/Raab, § 634 Rz 27; zum alten Recht: BGH NJW 99, 2046, 2047 [BGH 17.02.1999 - X ZR 8/96]). Die Verzahnung zwischen Werkvertragsrecht und allg Leistungsstörungsrecht bewerkstelligt § 634, der sowohl auf die dem Werkvertragsrecht inhärenten Mängelrechte der Nacherfüllung (§ 634 Nr 1 iVm § 635), der Selbstvornahme (§ 634 Nr 2 iVm § 637) und der Minderung (§ 634 Nr 3 iVm § 638), als auch auf die jetzt im allg Leistungsstörungsrecht verankerten Ansprüche auf Rücktritt (§ 323) und Schadensersatz (§§ 280–283) verweist (§ 634 Nr 3, 4), die wiederum in den zusätzlich in Bezug genommenen Vorschriften des Werkvertragsrechts (lediglich) modifiziert werden. Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass alle mangelbedingten Haftungsansprüche ihren gesetzlichen Anknüpfungspunkt im Werkvertragsrecht haben.

 

Rn 5

Allerdings stehen dem Besteller die werkvertraglichen Mängelhaftungsrechte grds erst ab Abnahme (auch fiktiv – § 640 II) zu (so jetzt ausdrücklich auch der BGH BauR 17, 875; BauR 17, 879; BauR 17, 1024). Denn bis zu diesem Zeitpunkt hat er gem § 633 I einen auf Verschaffung des versprochenen mangelfreien Werkes gerichteten Erfüllungsanspruch, der hinsichtlich evtl Leistungsstörungen den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in §§ 280 ff und 323 (auch Verzug und Unmöglichkeit) unterliegt (BGH, aaO; NK-BGB/Raab § 634 Rz 30 f; Drossart BrBp 03, 356; abl Vorwerk BauR 03, 1, 8 ff). Folgerichtig beginnt gem § 634a II auch die Verjährung der Mängelansprüche erst mit der Abnahme.

 

Rn 6

Diese, sich aus der gesetzlichen Systematik ergebende zeitliche Zäsur zwischen allg Leistungsstörungsrecht und den Sachmänge...

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