Rn 23

Ein wichtiges Kriterium für die Mangelfreiheit der Werkleistungen ist die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik. Solche finden sich bspw in den Regeln des Handwerks (Ddorf NJW-RR 99, 1657 [OLG München 18.02.1998 - 7 U 6173/95]), DIN-Normen (insbes VOB/C), VDE-Bestimmungen, europäischen Normen oder Unfallverhütungsvorschriften. Für DIN-Normen spricht die – widerlegbare – Vermutung, dass sie die allg anerkannten Regeln der Technik richtig wiedergeben (Hamm NJW-RR 95, 17; OLG Stuttg BauR 77, 129; zu den Auswirkungen auf die Beweislast: Werner/Pastor Rz 1929 mwN). In diesem Zusammenhang hat der BGH festgestellt, dass die derzeit gültige DIN 4109 nicht die Mindestanforderungen an den Schallschutz widerspiegelt, den der Erwerber einer Wohnung oder einer Doppelhaushälfte als üblichen Qualitäts- und Komfortstandart erwarten darf (BGH BauR 07, 1570 – eingehend auch zur Ermittlung des geschuldeten Schallschutzes durch Auslegung des Vertrages unter Berücksichtigung der vereinbarten Bauweise; vgl hierzu auch BGH SFHK § 633 BGB Nr 124; anders noch für Stand 2000: Karlsr BauR 07, 557). Baut der Unternehmer gleichwohl nach der DIN 4109, missachtet er die anerkannten Regeln der Technik und seine Werkleistung ist mangelhaft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn er den Besteller im Vertrag hinreichend deutlich auf die Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik aufmerksam macht und der Besteller dies akzeptiert. Dafür reicht der schlichte Hinweis, der Besteller erhalte eine ›Schalldämmung nach DIN 4109‹ nicht aus (BGH BauR 09, 1288). Des Weiteren spricht eine – ebenfalls widerlegbare – Vermutung dafür, dass zeitlich und örtlich im Zusammenhang mit der Missachtung von anerkannten Regeln der Technik aufgetretene Mängel auf die Verletzung dieser Regeln zurückzuführen sind (BGH NJW 91, 2021 [BGH 19.04.1991 - V ZR 349/89]). Die anerkannten Regeln der Technik sind zwar in § 633 II nicht erwähnt (anders § 13 I VOB/B); sie gelten indes mit Rücksicht auf die zu unterstellende Funktionalitätserwartung der Vertragsparteien (s Rn 21 f) für alle 3 Stufen des Sachmangelbegriffs als stillschweigend vereinbarter Mindeststandard (BGH BauR 14, 1801; BauR 13, 952; Mundt NZBau 03, 73, 75 ff; Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher/Jurgeleit, 5. Teil § 633 Rz 53; zum alten Recht: BGH SFHK § 633 BGB Nr 124), soweit keine eindeutigen anderweitigen Abreden (auch konkludent) getroffen sind (BGH BauR 14, 1801; Hamm BauR 95, 767 – Altbausanierung; Brandbg ZfBR 01, 112 – Einsatz neuer/unerprobter Techniken und Materialien; vgl hierzu auch: BGH NJW-RR 06, 1309 [BGH 13.06.2006 - X ZR 167/04]). Andernfalls liegt bei Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik auch ohne Schadenseintritt ein Mangel vor (Ddorf NJW-RR 96, 146 [OLG Düsseldorf 14.07.1995 - 22 U 46/95]). Der Unternehmer muss über die anerkannten Regeln der Technik hinausgehende Herstellervorgaben jedenfalls dann beachten, wenn diese Vorgaben sicherheitsrelevant sind (BGH NJW-RR 09, 1467 [BGH 23.07.2009 - VII ZR 164/08]). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik ist der Zeitpunkt der Abnahme (BGH NJW 18, 391 [BGH 14.11.2017 - VII ZR 65/14]).

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