Gesetzestext

 

1Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. 2Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. 3Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.

A. Allgemeines/Normzweck.

 

Rn 1

§ 648 gestattet es dem Besteller, das Vertragsverhältnis nach Belieben durch eine sog ›freie‹ Kündigung zu beenden. Damit trägt der Gesetzgeber dem für Austauschgeschäfte (insbes Kauf) eigentlich systemwidrigen Gedanken Rechnung, dass der Besteller frei darüber entscheiden können soll, ob er die vom Unternehmer nach seinen Wünschen und Vorgaben herzustellende Leistung noch will. Diese weitreichende Dispositionsfreiheit des Bestellers ist für den Unternehmer hinnehmbar, weil er durch § 648 2 den Anspruch auf die vertragliche Vergütung behält und sich nur seine durch die Kündigung ersparten Aufwendungen sowie anderweitigen Erwerb anrechnen lassen muss. Die Regelung ist also darauf angelegt, die im Vertragsschluss repräsentierten Äquivalenzerwartungen der Vertragsparteien (s § 631 Rn 2) in das durch die Kündigung nach allg Grundsätzen entstehende Abwicklungsverhältnis zu transportieren. Vor diesem Hintergrund spielt § 648 insbes im Bauvertragsrecht eine große Rolle. Denn gerade dort können die Unwägbarkeiten eines oft komplexen Baugeschehens für den dann regelmäßig auf längere Zeit an den ausführenden Unternehmer gebundenen Besteller in vielfältiger Weise Anlass bieten, von der weiteren Ausführung der Bauleistung Abstand zu nehmen und sich vom Vertrage zu lösen. § 648 gilt allerdings nicht für den Bauträgervertrag, den der Erwerber mit Rücksicht auf die besondere Vertragsstruktur (s Vor §§ 631 bis 650 Rn 31) nur aus wichtigem Grund kündigen kann (BGH BauR 86, 208). Demggü darf der Besteller einen Werkvertrag, mit dem sich der Unternehmer für eine festgelegte Mindestvertragslaufzeit zur Bereitstellung, Gestaltung und Betreuung einer Internetpräsenz verpflichtet hat, grds nach § 648 frei kündigen (BGH NJW 11, 915 [BGH 27.01.2011 - VII ZR 133/10] – auch zur Berechnung der nach 2 zu zahlenden Vergütung, s auch Urt v 24.3.11 – VII ZR 111/10, und VII ZR 134/10). 3 ist durch das Forderungssicherungsgesetz (FoSiG, s § 631 Rn 24) für alle seit dem 1.1.09 geschlossenen Verträge neu in die iÜ unveränderte Vorschrift eingefügt worden.

B. Regelungsbereich/andere Beendigungsgründe.

 

Rn 2

Der Besteller ist in der Ausübung des Kündigungsrechtes nach § 649 wirklich ›frei‹. Die Kündigungsmöglichkeit besteht neben anderen Beendigungstatbeständen, etwa der Kündigung aus wichtigem Grund gem § 648a (s dort) oder gem § 649 (Kostenanschlag), die gleichwohl für den Besteller wegen der für ihn im Verhältnis zu § 648 2 günstigeren Folgen für die Vergütung nicht obsolet sind. Neben denen der Kündigung kommen als weitere Beendigungsgründe das Erlöschen der wechselseitigen Leistungspflichten durch Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit gem §§ 275, 326 I, darüber hinaus der Rücktritt gem §§ 323, 324 oder nach § 313 III 1 in Betracht. Auch die Geltendmachung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung beendet die wechselseitigen vertraglichen Leistungspflichten für die Zukunft (vgl § 281 V). Der Unternehmer kann demggü nur aus wichtigem Grund kündigen, wenn ein solcher vorliegt (hierzu: BGH NJW-RR 06, 1309 [BGH 13.06.2006 - X ZR 167/04]). Darüber hinaus kann er bei Mitwirkungspflichtverstößen des Bestellers gem § 643 und bei Ausbleiben der verlangten Bauhandwerkersicherheit nach § 650 f V 1 die Aufhebung des Vertrages herbeiführen.

C. Tatbestand.

I. Kündigung – § 648 S 1.

1. Allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen.

 

Rn 3

Für die Wirksamkeit der Kündigung nach § 648 gelten die allg Grundsätze. Erforderlich ist eine Kündigungserklärung, die dem Unternehmer zugehen muss. Sie bedarf keiner Form und kann deshalb grds auch konkludent erfolgen (Grüneberg/Retzlaff § 648 Rz 3). Allerdings muss der Besteller klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er den Vertrag vorzeitig beenden will; der Verwendung des Begriffes ›Kündigung‹ bedarf es hierfür nicht (Ingenstau/Korbion/Vygen Teil B, §§ 8 und 9 Rz 7). Die Kündigung ist ein Gestaltungsrecht und deshalb bedingungsfeindlich (Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen Teil B, §§ 8 und 9 Rz 7). Sie kann wirksam nur ›bis zur Vollendung des Werkes‹ erklärt werden. Das ist in erster Linie bei vollständiger Fertigstellung der Werkleistungen iSd § 646 (MüKo/Busche § 648 Rz 11), uU auch bei Vorhandensein von Mängeln der Fall, wenn diese nicht mehr behoben werden können (MüKo/Busche § 648 Rz 11; RGRK/Glanzmann § 649 Rz 2). Nach zutreffender Auffassung entfällt die Kündigungsmöglichkeit des § 648 mit der Abnahme (BGH BauR 1975, 280; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen Teil B Vor §§ 8 und 9 Rz 5), und zwar auch dann, wenn die Werkleistungen in diesem Zeitpunkt mit (behebbaren) Mängeln behaftet sind (NK-BGB/Lüh...

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