Rn 1

§ 649 korrespondiert mit § 632 III, wonach der Kostenanschlag im Zweifel nicht zu vergüten ist. Dass er gleichwohl nicht ohne Rechtswirkungen bleibt, folgt aus § 649 I. Danach hat der Besteller ein Sonderkündigungsrecht, wenn die veranschlagten Kosten nicht eingehalten werden können. Praktischer Hintergrund für diese Regelung ist die werkvertragstypische Besonderheit, dass die Parteien mit Rücksicht auf die Unwägbarkeiten betreffend den tatsächlich für die Erreichung des geschuldeten Werkerfolges erforderlichen Aufwand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses oft nicht verlässlich absehen können, wie hoch die letztlich zu zahlende Vergütung sein wird (iE hierzu: § 631 Rn 35). Diese Unsicherheit trifft insbes den Besteller, der grds das volle Risiko einer seinen Äquivalenzerwartungen widersprechenden Preisentwicklung trägt. Anders ausgedrückt: Er muss in Ermangelung anderweitiger vertraglicher Abreden (s §§ 631 I, 632 I, II) nicht den bei Vertragsschluss kalkulierten, sondern den tatsächlich für die Verwirklichung des Werkerfolges erforderlichen Aufwand bezahlen. Das ist der Fall, wenn die Parteien keine Vergütungsvereinbarung getroffen (s § 632 Rn 4 ff) oder einen Einheitspreisvertrag (ebenso Stundenlohnvertrag) geschlossen haben (s § 631 Rn 38), wohingegen beim Pauschalvertrag grds der Unternehmer das Preisentwicklungsrisiko übernommen hat (s § 631 Rn 39 ff). Mit der Erstellung und Überreichung eines Kostenanschlages durch den Unternehmer bewegen sich die Vertragsparteien in der Mitte zwischen diesen Vertragsvarianten. Der Unternehmer übernimmt mit dem Kostenanschlag zwar keine der Pauschalpreisvereinbarung vergleichbare Gewähr für die Höhe der Vergütung (s § 649 I – ›ohne Gewähr‹); der Besteller trägt also weiterhin das Preisentwicklungsrisiko. Dieses wird indes durch die Regelung in § 650 I in der Weise abgemildert, dass der Besteller sich bei einer wesentlichen Überschreitung des für seine Äquivalenzerwartung und damit für seine Vertragsentscheidung maßgeblichen Kostenanschlags vom Vertrag lösen kann. Der Vorteil dieser so eröffneten Kündigungsmöglichkeit ggü der ihm ohnehin gestatteten freien Kündigung nach § 649 liegt darin, dass der Unternehmer im Unterschied zu der Vergütungsfolge des § 648 2 (s dort Rn 6 ff) gem § 649 I eine Vergütung nur für tatsächlich erbrachte Leistungen sowie für nicht inbegriffene Auslagen erhält – § 645 I 1. Dogmatisch betrifft § 649 I also eine Störung der rechtsgeschäftlich verankerten Äquivalenzerwartung der Parteien und solcherart eine Störung der Geschäftsgrundlage iSd § 313 (BRHP/Voit § 650 Rz 2; Staud/Peters/Jacoby § 650 Rz 18; aA MüKo/Busche § 650 Rz 2 – Motivirrtum).

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