Rn 11

Wenn die unter Rn 8 ff genannten Voraussetzungen erfüllt sind, begründet III eine widerlegliche Vermutung, dass in der Zustandsfeststellung nicht angegebene Mängel nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Besteller zu vertreten sind. Dadurch wird der Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorverlegt. Gem § 644 I trägt der Unternehmer die Vergütungsgefahr grds bis zur Abnahme, es sei denn, der Besteller befindet sich bereits Annahmeverzug, weil er das vertragsgerecht hergestellte und angebotene Werk nicht angenommen hat. Das führt dazu, dass der Unternehmer, dessen fertig gestellten Werkleistungen der Besteller zwar entgegengenommen, aber (noch) nicht abgenommen hat, Schäden am Werk selbst dann kostenlos beseitigen muss, wenn die Ursachen für die Beschädigung nicht aus seiner Sphäre stammen und das Werk auch nicht gem § 645 I 1 wegen eines Mangels eines vom Besteller beigestellten Stoffes oder aufgrund seiner Anweisungen verschlechtert worden oder untergegangen ist (s § 645 Rn 8). Unter den Voraussetzungen des III soll der Unternehmer nun durch eine Zustandsfeststellung dafür sorgen können, dass die Vergütungsgefahr bereits ab diesem Zeitpunkt auf den Besteller übergeht, und zwar unabhängig davon, aufgrund welcher Umstände nachträglich gerügte Mängel entstanden sind.

 

Rn 12

Die Begründung des Gesetzgebers für diese Vermutung lautet:

 
Hinweis

›Die Vermutung geht dahin, dass der offenkundige Mangel nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Besteller zu vertreten ist. Auf diesem Wege können dem Besteller auch von Dritten verursachte Schäden zugerechnet werden, wenn er die Vermutung nicht erschüttern kann.‹

Diese Erwägungen sind unpräzise (ebenso: Leupertz/Preussner/Sienz/Hummel § 650g Rz 60). Sie übersehen, dass Dritte – idR andere im Auftrag des Bestellers auf der Baustelle tätige Unternehmer – hinsichtlich der Erfüllung von Obhuts- und Sorgfaltspflichten keine Erfüllungsgehilfen (§ 278) des Bestellers im Verhältnis zum Unternehmer sein dürften. Der Besteller muss sich also eine durch Dritte verursachte Beschädigung des Werks nicht gem § 278 zurechnen lassen. Dann aber ist die Vermutung des III insoweit bereits dann widerlegt, wenn der Besteller nachweisen kann, dass er selbst den Mangel nicht verursacht hat. Bleibt die Vermutung, der Mangel sei nach der Zustandsfeststellung entstanden, woraus der ebenfalls vom Besteller zu widerlegende Schluss gezogen werden kann, dass die Entstehung etwaiger Mängel seiner Risikosphäre entspringt. Ob allein dadurch ein Übergang der Vergütungsgefahr bewirkt wird, ist in wertender Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden (s dazu iE § 645 Rn 10 f).

 

Rn 13

Bis zur Abnahme muss der Unternehmer nach allgemeinen Grundsätzen darlegen und beweisen, vertragsgerecht, dh ohne Mängel, geleistet zu haben. Macht der Besteller vor der von ihm gem § 640 II unter Angabe mindestens eines Mangels verweigerten Abnahme Mängel geltend, die in der vom Unternehmer daraufhin gem I, II veranlassten Zustandsfeststellung nicht angegeben sind, ist gem III davon auszugehen, dass sie nach diesem Zeitpunkt entstanden und deshalb nicht vom Unternehmer verursacht worden sind, der das Werk dem Besteller bereits verschafft hat und deshalb regelmäßig keinen Einfluss mehr auf seine Beschaffenheit nehmen kann. Gleichwohl treten die Abnahmewirkungen nicht ein und der Besteller bleibt im Ausgangspunkt weiterhin berechtigt, die Abnahme zu verweigern, wenn die behaupteten Mängel wesentlich sind. Jedenfalls wenn der Besteller die Vermutung widerlegen kann, er habe die Mängel zu vertreten (s Rn 12), trifft den Unternehmer im Streit um die Abnahmeverpflichtung des Bestellers nach hier vertretener Auffassung unverändert die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine wesentlichen Mängel vorliegen. III bewirkt keinen Übergang der Leistungsgefahr, die nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen ist. Der Unternehmer bleibt also zur Erfüllung verpflichtet; er erhält hierfür allerdings den vollen Werklohn, der hinsichtlich der von der Vermutungswirkung des III umfassten Mängel um einen Anspruch aus § 645 ergänzt (vgl dazu: BeckOK BGB/Voit, § 645 Rz 30). Der Besteller muss iE also diejenigen Leistungen des Unternehmers, die er über die Feststellungen im Zustandsfeststellung hinaus als mangelhaft rügt, doppelt bezahlen. Weil er dem nur entgehen kann, wenn er die Vermutung des III widerlegt, ist er (nur) insoweit darlegungs- und beweispflichtig.

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