Rn 47

Auf den Vertragsschluss finden die Regeln der Rechtsgeschäftslehre Anwendung, sodass der Vertrag auch konkludent geschlossen werden kann (BGHZ 140, 111). Die Entgeltfestlegung ist Indiz für die Rechtsbindung. Die Unentgeltlichkeit allein steht dem stillschweigenden Vertragsschluss nicht entgegen. Vor dem Hintergrund des § 675 II setzt ein stillschweigender Vertragsschluss aber voraus, dass die Gesamtumstände ergeben (BGH NJW 91, 32 [BGH 17.05.1990 - IX ZR 85/89]; 92, 2080 [BGH 13.02.1992 - III ZR 28/90]), dass die Parteien nach ihren Erklärungen die Auskunft (bzw Rat oder Empfehlung) tatsächlich zum Inhalt vertraglicher Pflichten gemacht haben (BGH NJW 86, 180 [BGH 17.09.1985 - VI ZR 73/84]; abgel für die Informationen eines Reisebüros nach der getroffenen Auswahlentscheidung, BGH NJW 06, 205).

 

Rn 48

Zur Beurteilung der Rechtsbindung wird von der Rspr insoweit auf zwei Kriterien abgestellt: Auf der Seite des Anfragenden sind der Grad der Bedeutung der Leistung und die erkennbar auf der Grundlage der Anfrage zu treffende Entscheidung zu berücksichtigen (BGHZ NJW 89, 2882 [BGH 27.06.1989 - XI ZR 52/88]; 97, 730 [BGH 03.12.1996 - XI ZR 255/95]). Auf der anderen Seite sind die besondere Sachkunde im Hinblick auf die Leistung und ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Auskunftsperson zu beachten (BGH 100, 117). Die genannten Kriterien allein reichen für das Zustandekommen eines stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrags aber nicht aus (BGH NJW 86, 180 [BGH 17.09.1985 - VI ZR 73/84]; NJW 91, 352 [BGH 16.10.1990 - XI ZR 165/88]: Anlass der Auskunft).

 

Rn 49

Die Grundsätze wurden anhand von Bankdienstleistungen entwickelt (BGHZ 61, 176: Auskunft über die Einlösung von Scheck und Wechsel; BGHZ 123, 126: zur Anlage angebotene Papiere). Für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages kann es genügen, wenn der Anleger um einen Beratungstermin bittet und der Anlagevermittler daraufhin Angaben zu der fraglichen Anlage macht (BGH NJW-RR 05, 1120 [BGH 12.05.2005 - III ZR 413/04]). Auf die interne Funktionsteilung bei den Banken kommt es dabei nicht an (BGH NJW-RR 98, 1343 [BGH 07.07.1998 - XI ZR 375/97]). Ein Vertrag kommt stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des anderen in Anspruch nehmen will (BGH WM 07, 2228; WM 00, 426: Anlagevermittler) und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit aufnimmt (BGH NJW 07, 1362). Bei Auskünften von Bank zu Bank geht die Rspr von einem Auskunftsvertrag aus (BGH WM 91, 1629 [BGH 18.06.1991 - XI ZR 282/90]). Darüber hinaus wird die Auskunft eines Herstellers zur Verwendbarkeit seiner Produkte für einen bestimmten Zweck idR auf vertraglicher Grundlage erbracht (BGH WM 99, 1540; nicht aber in der Gebrauchsanweisung: BGH NJW 89, 1029 [BGH 11.10.1988 - XI ZR 1/88]). Auch spätere Anlageentscheidungen, die der Anleger auf der Grundlage der pflichtwidrig erteilten Empfehlung, jedoch ohne erneute Beratung/Vermittlung trifft, können dem Berater oder Vermittler zuzurechnen sein (BGH NJW 20, 387 [BGH 21.11.2019 - III ZR 244/18]).

 

Rn 50

Zurückhaltung ist geboten, wenn es um die Beurteilung von stillschweigend geschlossenen Verträgen mit Dritten geht, die von einer Auskunft, Empfehlung oder einem Rat profitieren. Die Annahme eines entspr Vertrags gerät schnell in die Nähe zur Fiktion. Im Grundsatz ist ein vertragliches Verhältnis auf Fälle zu beschränken, in denen ein unmittelbarer Kontakt zum Dritten entsteht (BGH GWR 09, 299 [BGH 25.06.2009 - III ZR 223/08]; NJW 95, 392 [BGH 10.11.1994 - III ZR 50/94]). Es muss eine Einstandspflicht für Wahrheit und Vollständigkeit übernommen werden. Das bloße Wissen um die Verwendung der Informationen reicht nicht. Die Figur des ›Vertrags für den, den es angeht‹ ist für die Übernahme einer Haftung durch Sachkundige (zB Bank) ggü beliebigen noch unbekannten Dritten ungewöhnlich und daher regelmäßig zu verneinen (BGHZ 12, 105; NJW 70, 1737). Eine solche Risikoübernahme wäre mit dem Sinn und Zweck des § 675 II unvereinbar.

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