Rn 17

§ 773 I Nr 4 ermöglicht dem Gläubiger den direkten Zugriff auf den Bürgen (vgl Rn 13) bei fehlender Aussicht, durch Vollstreckung in das Vermögen des Hauptschuldners eine vollständige Befriedigung seiner Forderung zu erlangen (Prognose voraussichtlicher Erfolglosigkeit). Die Norm will zwecklose Vollstreckungsversuche vermeiden (Mot II 671). Ist zu erwarten, dass der Gläubiger nur mit der Befriedigung eines Teils seiner Forderung rechnen kann, ist str, inwieweit § 773 I Nr 4 dem Gläubiger zur Seite steht und zum Ausschluss der Einrede der Vorausklage führt: ZT soll § 773 I Nr 4 unanwendbar sein und der Gläubiger sich zunächst an den Hauptschuldner halten müssen (arg RGZ 22, 44, 48; Soergel/Gröschler § 773 Rz 8); zT soll § 773 I Nr 4 nur insoweit anzuwenden sein, als die Zwangvollstreckung nicht Erfolg versprechend ist (Staud/Stürner § 773 Rz 8; BeckOGK/Madaus § 773 Rz 14; s.a. MüKoBGB/Habersack § 773 Rz 9: wenn die Vorausvollstreckung wegen des zu erwartenden geringen Erfolgs nicht zumutbar ist). Nach dem Normzweck (Gläubigerhilfe bei mangelnder Aussicht auf Befriedigung) erscheint es sachgerecht, § 773 I Nr 4 jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Befriedigung durch Zwangsvollstreckung überwiegend nicht Erfolg versprechend ist: Denn der Bürge trägt das wirtschaftliche Risiko; er kann ggf nach § 775 Befreiung vom Hauptschuldner begehren (führt dieser Anspruch voraussichtlich ins Leere, ist auch anzunehmen, dass die Vollstreckung des Gläubigers erfolglos bleiben wird).

 

Rn 18

Für die Prognose sind alle erheblichen Umstände heranzuziehen (vgl Ermann/Zetzsche § 773 Rz 8). Erheblich sind: (1.) frühere vergebliche Vollstreckungsversuche Dritter (Dresd LZ 26, 952 f; RG Recht 10, Nr 1558), wobei es bei Geldforderungen nach § 772 I nur auf die Möglichkeit der Vollstreckung in bewegliche Sachen des Hauptschuldners ankommt (s § 772 Rn 2; RGZ 92, 219, 220 f; Dresd LZ 26, 952 f: Wechsel unerheblich; Celle OLGE 18, 41, 42); (2.) Insolvenzantragsverfahren (insb, wenn das Insolvenzgericht die Eröffnung von einem bedeutenden Vorschuss abhängig macht, s RG Recht 20 Nr 387); (3.) ein Mangels-Masse-Beschluss nach § 26 InsO (Grüneberg/Sprau § 773 Rz 2; BeckOKBGB/Rohe § 773 Rz 5); (4.) Beendigung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse oder durch Schlussverteilung (s.o. Rn 16).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge