Rn 7

Der Bürge muss den Gläubiger befriedigen: durch Leistung auf die Bürgenschuld iSv § 362 oder durch Erfüllungssurrogate (Rn 8). Eine Leistung des Bürgen auf die Hauptschuld als Dritter iSd § 267 ist nicht ausreichend (RGZ 96, 136, 139; BGH NJW 86, 251; ZIP 98, 601, 602). Hat der Bürge bei seiner Leistung keine Zweckbestimmung getroffen, ist maßgeblich, ob die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers als eine Leistung des Bürgen oder eines Dritten iSd § 267 zu werten ist (BGH NJW 86, 251 [BGH 26.09.1985 - IX ZR 180/84]; WM 98, 443, 445 [BGH 14.01.1998 - XII ZR 103/96]). Unerheblich ist, ob der Bürge die Bürgschaftsverbindlichkeit aus eigenem Vermögen oder aus dem Vermögen des Hauptschuldners begleicht (RG JW 14, 78). Der Bürge kann nach § 271 II im Zweifel bereits vor Fälligkeit leisten (vgl BGH ZIP 98, 601, 603; MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 5); das kann wegen des einhergehenden Übergangs von Sicherheiten im Einzelfall Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Begleicht der Bürge die ganze Hauptschuld, obwohl er nur für einen Teil gebürgt hat, stellt die Leistung auf den nicht verbürgten Teil eine Zahlung eines Dritten iSd § 267 dar. In dieser Höhe findet kein Forderungsübergang statt (RGZ 96, 136, 139).

 

Rn 8

›Befriedigung‹ nach § 774 I 1 kann auch durch Erfüllungsurrogate erfolgen: die Leistung an Erfüllungs statt (BGH WM 69, 1103, 1104: zu §§ 1143 I 2, 774 I 1; BGH NJW-RR 88, 61, 62 [BGH 17.09.1987 - IX ZR 208/86]: Aufnahme eines eigenen Bankkredites des Bürgen bei der Bürgschaftsgläubigerin), die befreiende Hinterlegung nach §§ 372, 378 (BGH NJW 90, 1301), die Aufrechnung (§ 387 ff) mit einer eigenen (Gegen-)Forderung des Bürgen gegen den Bürgschaftsanspruch des Gläubigers (RGZ 53, 403, 405; BGH WM 65, 578, 579; NJW 90, 1301 [BGH 06.11.1989 - II ZR 62/89]). Im Bürgschaftsvertrag können diese Möglichkeiten der Erfüllung beschränkt werden. Ob die Aufrechnung des Bürgen trotz eines Aufrechnungsverbots im Vertrag über die Hauptschuld zulässig ist, ist str (dafür: MüKoBGB/Habersack § 774 Rz 5; BeckOGK/Madaus § 774 Rz 4.1; dagegen: Staud/Stürner § 774 Rz 10). Für die Möglichkeit der Aufrechnung spricht, dass sich das Erfüllungsinteresse des Gläubigers auf seine wirtschaftliche Befriedigung beschränkt. Im Einzelfall kann sich ein anderes Ergebnis aus der Auslegung des Bürgschaftsvertrags im Lichte des Vertrages über die Hauptschuld ergeben.

 

Rn 9

Notwendig ist die endgültige Befriedigung des Gläubigers. Unzureichend sind daher: (1.) Sicherheitsleistung durch Hinterlegung (RGZ 106, 311 f), (2.) Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Urt (RGZ 98, 328, 329), (3.) die Leistung auf ein rechtskräftiges Vorbehaltsurteil (BGHZ 86, 267, 270: Vorbehaltsurteil iSv § 599 ZPO); (4) Teilleistung, wenn vereinbart ist, dass die Leistungen des Bürgen bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers nur als Sicherheit dienen (s.o. Rn 4, BGHZ 92, 374, 378 ff). Die cessio legis tritt in Fall (4.) aber ein, wenn der Gläubiger zu erkennen gibt, dass er sich aus der gezahlten Bürgschaftssumme befriedigt hat, die Leistung des Bürgen also nicht mehr als Sicherheit betrachtet (BGH NJW 87, 374, 376 [BGH 23.10.1986 - IX ZR 203/85]).

 

Rn 10

Befriedigt der Bürge den Gläubiger ohne ein Vermögensopfer, wie im Falle eines Erlassvertrages zwischen Bürgen und Gläubiger, so wird keine Zession nach § 774 I 1 ausgelöst (BGH NJW 90, 1301 [BGH 06.11.1989 - II ZR 62/89]).

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