Rn 41

Die condictio ob rem nimmt innerhalb der Leistungskondiktionstatbestände eine abstrakt nur schwer einzugrenzende Sonderstellung ein (zur historischen Entwicklung Reuter/Martinek 146 ff). Das hängt mit ihrem Regelungsgehalt zusammen, der eine Paradoxie zu enthalten scheint: Der Empfänger soll eine Leistung nicht behalten dürfen, die der Leistende in der schließlich enttäuschten Erwartung erbracht hat, vom Empfänger eine – nicht notwendig gegenständliche – Gegenleistung zu erhalten, auf die er keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch hat (ähnl Staud/Lorenz § 812 Rz 108; MüKo/Schwab § 812 Rz 374; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 49, 57; Erman/Buck-Heeb § 812 Rz 52). Es geht bei der condictio ob rem also jedenfalls nicht um die Rückabwicklung von Leistungen, die der Bereicherungsgläubiger (ausschl) zum Zwecke der Erfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit erbracht hat. Darin unterscheidet sie sich von den Tatbeständen der condictio indebiti und der condictio ob causam finitam (vgl Rn 20, 32).

 

Rn 42

Gleichwohl setzt die condictio ob rem tatbestandlich voraus, dass der mit der Leistung verfehlte Zweck rechtsgeschäftlich verankert sein muss (›… nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts …‹). Von diesem Punkt aus lässt sich ihr Anwendungsbereich in zwei Richtungen weiter eingrenzen. Auf der einen Seite darf die letztlich enttäuschte Erwartung des Leistenden nicht bloß einseitiges Motiv für die Zuwendung geblieben sein. Erforderlich ist vielmehr eine rechtsgeschäftliche Zweckabrede (iE Rn 45). Der Empfänger muss die Erwartung des Leistenden also kennen und er muss die damit einhergehende Zweckbestimmung zumindest billigen, wofür es regelmäßig ausreicht, dass er die Leistung in Kenntnis der Erwartungshaltung des Leistenden widerspruchslos annimmt (BGH Beschl v 17.7.13 – IV ZR 309/12 – juris; NJW 13, 2025, 2027 Rz 26 m Anm Thomale LMK 2013, 347486; NJW-RR 09, 1142, 1143, Rz 15; BGHZ 115, 261, 262 f). Andererseits darf die Zweckabrede nicht in den Bereich wechselseitiger vertraglicher Leistungspflichten fallen, weil dann der Leistende einen die Zweckverfehlungskondiktion ausschließenden Anspruch auf die vermisste Gegenleistung hat (Rn 41, 45). Deshalb bleibt für die condictio ob rem wenig Raum, wenn dem Leistungsaustausch ein gegenseitig verpflichtender, schuldrechtlicher Vertrag zugrunde liegt (iE Rn 49; ebenso MüKo/Schwab § 812 Rz 379 f). Welche Leistungen die Beteiligten dann wechselseitig zu erbringen haben, ergibt sich aus dem – ggf auslegungsbedürftigen (§§ 133, 157) – Vertrag; ob sie diese Leistungen behalten dürfen, ist vorrangig eine Frage des Leistungsstörungsrechts (s.o. Rn 19) und der Anwendbarkeit evtl spezialgesetzlicher Rückgabetatbestände (bspw §§ 527, 1301). Ein Bereicherungsausgleich nach den Regeln der condictio ob rem kommt mithin nicht in Betracht, soweit es um die Behebung einer Äquivalenzstörung iRd vertraglichen Synallagmas geht. Besonders problematisch und letztlich von Wertungs- und Praktikabilitätserwägungen dominiert ist die Abgrenzung der condictio ob rem von den nunmehr gesetzlich in § 313 geregelten Fällen der Störung der Geschäftsgrundlage, in denen die Zweckverfehlung zugleich in dem unerwarteten Nichteintritt von Umständen begründet liegt, welche die Parteien übereinstimmend zur Geschäftsgrundlage ihrer rechtsgeschäftlichen Leistungsbeziehung erhoben haben (vgl Rn 50, 52).

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