Rn 95

Streitig ist die bereicherungsrechtliche Beurteilung solcher Fälle, in denen eine zunächst wirksam erteilte Anweisung, bspw in Form eines Überweisungsauftrages, noch vor ihrer Ausführung widerrufen wird. Während ein Teil der Lit auch dann eine Direktkondiktion A–C uneingeschränkt zulassen will (vgl Staud/Lorenz § 812 Rz 51 mwN), ist mit Rspr und hL abermals danach zu differenzieren, ob B zurechenbar den Rechtsschein einer eigenen Leistung auf die Valutaschuld veranlasst hat (BGH NZI 21, 197 Rz 24 ff; BGHZ 61, 281, 293 f; 87, 393, 398; 89, 376, 379 f; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 154; Larenz/Canaris Schuldrecht BT II/2, § 70 IV 3a; Medicus BürgR Rz 676; iE ebenso MüKo/Schwab § 812 Rz 114 ff). Die Antwort liefert nicht das Bereicherungsrecht; sie ergibt sich aus dem der allg Rechtsscheinlehre inhärenten Grundsatz, dass nur der Gutgläubige den Schutz verdient, auf den von seinem Vertragspartner veranlassten Rechtsschein vertrauen zu dürfen. Bezugspunkt für den solcherart gewährleisteten Vertrauensschutz ist der durch die zunächst erteilte Anweisung von B aus der maßgeblichen Empfängersicht veranlasste Rechtsschein, A überbringe mit Botenmacht die mit der Anweisung einhergehende Tilgungsbestimmung (BGHZ 87, 246, 249; 89, 376, 379 f).

 

Rn 96

Daraus lassen sich folgende Entscheidungsgrundsätze entwickeln: Kein Rechtsschein ioS besteht entgegen anderweitiger Rechtsprechungspraxis des BGH (BGH NJW 08, 2331, 2332 Rz 12; BGHZ 87, 346, 349 f; 87, 376, 381 f; 89, 376, 380), wenn C weder von der ursprünglichen Anweisung, noch von deren Widerruf Kenntnis erlangt. Dann hat B – ebenso wie bei fehlender Anweisung – den Rechtsschein der fortbestehenden Botenmacht des A nicht zurechenbar veranlasst hat, der sich vielmehr hier wie dort allein auf die eigenmächtige Vorgehensweise des A gründet (iE ebenso für den Fall eines nicht offengelegten Überweisungsauftrages v Olshausen FS Eisenhardt, 277, 291; ders JR 09, 280, 281 [BGH 29.04.2008 - XI ZR 371/07]; vgl auch Flume AcP 199, 1, 6). Weiß C hingegen von der Anweisung (etwa durch vorherige Ankündigung der Überweisung oder Übergabe eines Verrechnungsschecks – dazu unten Rn 97), so fällt unter dem Gesichtspunkt der Gutgläubigkeit entscheidend ins Gewicht, ob er auch den Widerruf der Anweisung im Zeitpunkt der Zuwendung, regelmäßig also bei endgültiger Gutschrift des Überweisungsbetrages auf seinem Konto, kennt (BGH NJW 08, 2331, 2332 Rz 12; BGHZ 61, 281, 293 f; 87, 246, 249; 87, 393, 398; 89, 376, 379 f; iE ebenso MüKo/Schwab § 812 Rz 119). Denn dann weiß C, dass der gutgeschriebene Überweisungsbetrag keine Leistung des B auf die Valutaschuld darstellt, sondern auf eine Fehlleistung der überweisenden Bank A zurückzuführen ist. Darüber hinaus führt nicht nur positive Kenntnis, sondern unter Heranziehung des in §§ 122 II, 172 II, 173 niedergelegten Rechtsgedankens auch fahrlässige Unkenntnis zur Zerstörung des Rechtsscheins (so insb Canaris Bankvertragsrecht Rz 439; MüKoHGB/Häuser ZahlungsV Rz D 194; Schnauder ZIP 94, 1069, 1073; skeptisch Reuter/Martinek 440 ff). In all diesen Fällen ist mithin nach obigen Grundsätzen (Rn 94) die Direktkondiktion A–C eröffnet (BGHZ 152, 307, 311; Brandbg WM 02, 2010, 2012 – Kenntnis). Ist C hingegen gutgläubig ioS, so müssen sich die Beteiligten kraft Rechtsscheins so behandeln lassen, als sei die durch A als (vermeintlicher) Bote überbrachte Tilgungsbestimmung des B wirksam. Das führt zum einen bei fehlerfreiem Valutaverhältnis zur Tilgung der Valutaschuld und erzwingt – zum anderen – die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung innerhalb der fehlerhaften Kausalbeziehungen (wegen § 675u nunmehr aA BGHZ 205, 377 Rz 22; NZI 21, 197 [BGH 29.10.2020 - IX ZR 212/19] Rn 23; sehr str; aA Schnauder JZ 16,603; Omlor EWiR 15,595; Kiehnle NJW 15, 3095). IRd Rückabwicklung eines gem § 1 I HWiG wirksam widerrufenen Realkreditvertrages hat der BGH den Darlehensnehmer (B) als Leistungsempfänger ua deshalb für verpflichtet erachtet, die anderweitig ausgezahlte Darlehenssumme nebst Zinsen an die kreditierende Bank (A) zurückzahlen zu müssen, weil er als Anweisender ›zurechenbaren Anlass zu dem Zahlungsvorgang gesetzt‹ habe (BGH VersR 07, 1232 Rz 32; gleichlautend BGH Urt v 16.5.06 – XI ZR 63/04, Rz 31; anders der II. ZS BGHZ 152, 331, 337 = NJW 03, 422; vgl auch BGH NJW-RR 05, 986, 987 – ›nur eine, nämlich die finanzierte Leistung‹; krit hierzu BRHP/Wendehorst § 812 Rz 198 f mwN). Das wäre nach obigen Grundsätzen nur dann richtig, wenn der Zuwendungsempfänger im Zeitpunkt der Darlehensauszahlung von der Unwirksamkeit der Anweisung wusste und solcherart bösgläubig war. Dazu ist in beiden Urteilen nichts Konkretes nachzulesen. Der mitgeteilte Sachverhalt spricht dagegen. Nicht eindeutig geklärt ist, wie unter der Geltung des neuen Rechts diejenigen Fälle zu lösen sind, in denen B die Anweisung ggü A widerruft, ohne dass C von dem Widerruf Kenntnis erlangt. Dann würde nach obigen Grundsätzen der Bereicherungsausgleich ›über Eck‹, dh zwischen B-C und A-B erfolgen ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?