Rn 72

In rechtlicher Konsequenz führt die hier befürwortete Anspruchskonkurrenz zwischen §§ 951 I 1, 812 I 1 Alt 2 und §§ 994 ff allerdings zu dem insoweit wenig willkommenen Ergebnis, dass der Eigentümer den durch §§ 994 ff gewährleisteten Schutz vor einer übermäßigen Inanspruchnahme durch den Besitzer verliert, der überdies den Vindikationsanspruch des Eigentümers mit Hilfe seines verwendungsbedingten Kondiktionsanspruchs abwehren kann (§ 273). Der Eigentümer wäre also gezwungen, selbst unerwünschte Bauleistungen zu bezahlen, um sein Grundstück zurückzubekommen. Aus Sicht des BGH stellt sich dieses Problem nur bei Exzessverwendungen des rechtmäßigen Besitzers (s.o. Rn 71). Er hat für diese Fälle die Lösung über § 1001 2 gesucht und den Eigentümer von bereicherungsrechtlichen Verwendungsersatzansprüchen des Besitzers freigestellt, wenn er diesem die Möglichkeit einräumt, die unerwünschte Bauleistung zu beseitigen (BGHZ 23, 61 ff). Das ist indes nicht nur wirtschaftlich wenig sinnvoll, sondern angesichts des Rückgriffs auf eine Vorschrift zum EBV außerhalb des Regelungsbereichs der §§ 989 ff auch dogmatisch bedenklich. IÜ ist der Eigentümer ohnehin nicht schutzlos. Erweist sich nämlich die Verwendung zugleich als Eigentumsverletzung, kann er den sich solcherart aus §§ 1004, 823 I, 989, 990 iVm § 249 ergebenden Beseitigungsanspruch der Verwendungskondiktion des Besitzers als dauernde Einrede entgegenhalten (§ 813 greift nicht, s dort), so dass diesem im Ergebnis nur die Wegnahme bleibt (ebenso Medicus Rz 899). Das ist freilich mangels zwingender Verknüpfung zwischen Verwendung und Eigentumsverletzung nicht immer der Fall (hierzu Medicus Rz 899) und beseitigt iÜ nicht das Problem, dass der Eigentümer vorbehaltlich der wohl nur selten eingreifenden Kondiktionssperre aus § 819 I nur gegen Bezahlung des unerwünschten Aufwandes vindizieren kann.

 

Rn 73

Die Lit versucht dem Eigentümer mit unterschiedlichen Ansatzpunkten über eine Beschränkung des Umfangs des Bereicherungsanspruchs zu einem angemessenen Schutz gegen solcherart aufgedrängte Bereicherungen zu verhelfen (ausf zum Meinungsstand MüKo/Schwab § 818 Rz 201 ff mwN). Im Zentrum der Diskussion steht dabei der in § 818 III verankerte Rechtsgedanke, dass der Bereicherungsschuldner über die tatsächlich wertmäßig vorhandene Bereicherung hinaus nichts von seinem sonstigen Vermögen hergeben muss (s § 818 Rn 18). Diese Privilegierung des Bereicherungsschuldners wäre faktisch außer Kraft gesetzt, wenn er von ihm nicht veranlasste und weiterhin unerwünschte Aufwendungen des Besitzers voll bezahlen müsste. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, den gem § 818 II grds objektiv zu bestimmenden Wert des Erlangten nach subjektiven Maßstäben zunächst auf das zu beschränken, was der Bereicherungsschuldner sich wirklich zunutze macht, sei es durch Ingebrauchnahme oder durch kommerzielle Verwertung (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 106; Koppensteiner/Kramer 171 ff; diff: Erman/Buck-Heeb § 818 Rz 20a ff, 20i; abl: MüKo/Schwab § 818 Rz 202 ff – Lösung über § 818 III). Dann müsste der Bereicherungsgläubiger mit der Geltendmachung seines Kondiktionsanspruches allerdings warten, bis der Bereicherungsschuldner/Eigentümer die ihm zugeflossenen Nutzungsvorteile tatsächlich realisiert. Das erscheint wenig praktikabel und erzwingt deshalb nach zutreffender Auffassung letztlich eine normative Betrachtungsweise, die den bereits mit der rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung entstanden Wertersatzanspruch des Bereicherungsgläubigers auf solche Wertsteigerungen erstreckt, die der Bereicherungsschuldner sich nach den Umständen künftig zunutze gemacht hätte oder unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten zunutze machen müsste (ebenso AnwK/v Sachsen Gessaphe § 812 Rz 107; noch weitergehend – Obliegenheit Larenz/Canaris Schuldrecht II/2, § 72 IV 3d). Allerdings darf der Bereicherungsanspruch betragsmäßig den Wert der tatsächlich vom Bereicherungsgläubiger erbrachten Aufwendungen nicht übersteigen (BGH NJW 99, 1626, 1630 [BGH 19.01.1999 - X ZR 42/97]; aA Reuter/Martinek 548 f). Geeignet erscheint auch der Rechtsgedanke aus § 814 analog.

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