Gesetzestext

 

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 814 normiert zwei Kondiktionsausschlussgründe, die beide den Tatbestand der condictio indebiti betreffen (zur Nichtanwendbarkeit auf andere Kondiktionstypen Rn 2 ff). Alt 1 knüpft an den Grundsatz des venire contra factum proprium an (BGH NJW 97, 2381, 2382 [BGH 07.05.1997 - IV ZR 35/96]; abweichend Lobinger JZ 22, 599, 601 ff) und versagt deshalb demjenigen einen Bereicherungsanspruch, der trotz Kenntnis seiner Nichtschuld freiwillig leistet. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss der für die condictio indebiti tragende Grundsatz, dass ein Bereicherungsausgleich überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn der Leistende sich über seine (nicht bestehende) Verpflichtung zur Leistung geirrt hat (vgl Staud/Lorenz § 814 Rz 1). In Alt 2 findet sich das Gebot der Einhaltung der guten Sitten wieder (§ 138), indem auch rechtsgrundlos erbrachte Leistungen einem Kondiktionsanspruch entzogen werden, soweit sie aufgrund einer sittlichen oder moralischen Pflicht vorzunehmen waren.

B. Tatbestand.

I. Leistung in Kenntnis der Nichtschuld – § 814 Alt 1.

1. Leistung ›solvendi causa‹.

 

Rn 2

Der Kondiktionsausschluss in § 814 betrifft das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete. Es muss also eine Leistung iSd normativen Leistungsbegriffs vorliegen (hierzu iE § 812 Rn 22 ff), die der Zuwendende solvendi causa erbracht hat (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 814 Rz 2; BRHP/Wendehorst § 814 Rz 3). Das ist nur bei der condictio indebiti der Fall (BGH WM 86, 1324; 72, 283, 286; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 814 Rz 2; Grüneberg/Sprau § 814 Rz 1). Liegen die übrigen Voraussetzungen des § 814 vor, so ist der Bereicherungsausgleich nach § 812 I 1 Alt 1 also auch bei Mehrpersonenverhältnissen iRd nach allg Kriterien zu ermittelnden Leistungsbeziehung(en) ausgeschlossen (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 814 Rz 2, 7). Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass § 814 keine Anwendung findet auf die Fälle der Nichtleistungskondiktion (zur Verwendungskondiktion BGH NJW 94, 2357, 2358 [BGH 31.05.1994 - VI ZR 12/94]; vgl auch BGH WM 86, 1342, 1352) und den Bereicherungsanspruch aus § 817 1 (BGH WM 61, 530). Gleiches gilt für die Tatbestände der condictio ob rem (§ 812 I 2 Alt 2), die den Herausgabeanspruch des Leistenden gerade nicht an die mangels causa fehlgeschlagene Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern an die Verfehlung eines gesondert vereinbarten Leistungszwecks knüpft (hierzu iE § 812 Rn 42, 49). Also kann schon denknotwendig kein kondiktionshindernder Zusammenhang zwischen der Kenntnis des Leistenden vom Fehlen einer rechtsgeschäftlichen Leistungsverpflichtung und dem Kondiktionsgrund der condictio ob rem, nämlich der Zweckverfehlung, bestehen (iE ebenso BGH NJW 99, 2892 [BGH 02.07.1999 - V ZR 167/98]; 80, 451 [BGH 26.10.1979 - V ZR 88/77]; Köln NJW-RR 94, 1026 [OLG Köln 08.04.1994 - 20 U 226/92]; MüKo/Schwab § 814 Rz 4; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 814 Rz 2; Staud/Lorenz § 814 Rz 3; Singer WM 83, 254, 256; BRHP/Wendehorst § 814 Rz 5; vgl zur grds Nichtanwendbarkeit der condictio ob rem in diesen Fällen § 812 Rn 49). Für die Zweckverfehlungskondiktion gilt allerdings die Kondiktionssperre des § 815 (s dort). § 814 ist weder unmittelbar noch seinem Rechtsgedanken nach anwendbar auf anfechtungsrechtliche Rückgewähransprüche aus § 143 I InsO (BGH WM 09, 178, 180 f).

2. Nichtschuld.

 

Rn 3

§ 814 setzt voraus, dass der Leistende objektiv nicht zur Leistung verpflichtet war. Das trifft auch dann zu, wenn die Leistung zwar auf eine bestehende, aber mit einer dauernden Einrede behaftete Verbindlichkeit erfolgt. Weiß der Leistende von einer solchen Einrede, ist sein Kondiktionsanspruch aus § 813 I in entspr Anwendung des § 814 ausgeschlossen (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 814 Rz 4; MüKo/Schwab § 814 Rz 6). Maßgebend ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung (AnwK/v Sachsen Gessaphe § 814 Rz 2; Erman/Buck-Heeb § 814 Rz 1; MüKo/Schwab § 814 Rz 3), so dass die Kondiktion wegen des späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes (condictio ob causam finitam – § 812 I 2 Alt 1) nicht von § 814 umfasst ist (allgM BGHZ 111, 125, 130; WM 72, 283, 286; Erman/Buck-Heeb § 814 Rz 1; MüKo/Schwab § 814 Rz 3). Die Zahlung auf eine Nichtschuld ist ein Fall unentgeltlicher Leistung nach § 134 InsO (Kobl EWiR 20, 279).

3. Kenntnis.

 

Rn 4

Die Kondiktionssperre des § 814 erfordert, dass der Zuwendende im Zeitpunkt der Leistungserbringung positive Kenntnis davon hatte, zur Leistung nicht verpflichtet zu sein. Bezugspunkt für diese Kenntnis kann nach dem Vorgesagten (Rn 3) das Nichtbestehen der mit der Leistung in Bezug genommenen Verbindlichkeit oder das Bestehen einer dauernden Einrede sein (§ 813 I), darüber hinaus gem § 142 II nach erfolgter Anfechtung die Anfechtbarkeit des Kausalgeschäftes, sofern das Anfechtungsrecht zumindest auch dem Leistenden zustand (BGH NJW 08, 1878, 1879 [BGH 13.02.2008 - VIII ZR 208/07] Rz 15 ff mwN; MüKo/...

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