Gesetzestext

 

1Der Eigentümer einer Sache ist nicht berechtigt, die Einwirkung eines anderen auf die Sache zu verbieten, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. 2Der Eigentümer kann Ersatz des ihm entstehenden Schadens verlangen.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

1 der Vorschrift beschränkt die negativen Eigentümerbefugnisse aus § 903 (§ 903 Rn 2). Der Eigentümer kann Einwirkungen auf seine Sache nicht verbieten, wenn sie zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig sind und der durch die Gefahr drohende Schaden ggü dem dem Eigentümer durch den Eingriff entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Diese Beschränkung dient dem Rechtsgüterschutz dritter Personen. Für sie enthält die Vorschrift einen Rechtfertigungsgrund. Der Unterschied zu dem in § 228 geregelten Notstand besteht darin, dass hier die Gefahr nicht von der Sache des Eigentümers ausgeht; deshalb spricht man hier von dem Angriffsnotstand, dort von dem Verteidigungsnotstand.

 

Rn 2

§ 904 2 gibt dem Eigentümer der Sache bei rechtmäßiger Einwirkung einen Schadensersatzanspruch. Eine schuldhafte Einwirkung ist nicht erforderlich; allein der Umstand des gerechtfertigten Eingriffs in das Eigentumsrecht begründet den Anspruch. Dieser tritt an die Stelle des ausgeschlossenen Abwehrrechts des Eigentümers. Die Vorschrift stellt sich damit als gesetzliche Regelung des allg Aufopferungsgedankens in seiner zivilrechtlichen Ausprägung dar (BGHZ 117, 240, 251).

 

Rn 3

Die Vorschrift ist nicht nur bei Einwirkungen auf das Eigentum an einer Sache, sondern entspr auch bei Einwirkungen auf andere absolute Vermögensrechte anwendbar. Einwirkungen auf Personen und Eingriffe in höchstpersönliche Rechtsgüter sind dagegen selbst dann nicht nach § 904 1 gerechtfertigt, wenn die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen. Wird eine Behörde in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit zur Gefahrenabwehr tätig, ist § 904 auf ein solches öffentliches Rechtsverhältnis nicht anwendbar (BGHZ 117, 240, 251).

B. Notstandslage.

I. Gegenwärtige Gefahr.

 

Rn 4

Nach allg Auffassung erfordert die Annahme einer gegenwärtigen Gefahr, dass zur Abwendung von Schäden für das Rechtsgut des Dritten sofortige Abhilfe notwendig ist (Staud/Althammer Rz 12 mwN). Einerseits muss also der Eintritt eines Schadens unmittelbar bevorstehen, andererseits müssen zur Verhinderung des Schadenseintritts umgehende Maßnahmen erforderlich sein.

 

Rn 5

Eine Gefahr liegt dann vor, wenn die Sicherheit für ein Rechtsgut so stark beeinträchtigt ist, dass der Eintritt eines Schadens droht. Für die Annahme, ein Schaden werde eintreten, reicht ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit aus; nicht erforderlich ist eine hypothetische Gewissheit iSe sicheren Vorhersehbarkeit. Unerheblich ist die Gefahrenursache; die Gefahr kann von Menschen, Tieren, Sachen und Naturkräften ausgehen. Liegt allerdings das Gefahrenpotenzial in der Sache, auf die eingewirkt wird, ist das kein Fall des § 904, sondern einer des § 228 (Kobl NJW-RR 89, 541 [OLG Koblenz 14.07.1988 - 5 U 115/88]). Nicht erforderlich ist, dass die Gefahr ihre Ursache in einem außergewöhnlichen Ereignis hat (aA RGZ 57, 187, 191). Ebenfalls unerheblich ist, wessen Rechtsgüter der Gefahr ausgesetzt sind; das kann sowohl derjenige sein, der den Eingriff in die fremde Sache vornimmt, als auch ein Dritter. Kein Fall des § 904 ist es, wenn der Dritte Eigentümer der Sache ist, auf die eingewirkt wird; denn der Aufopferungsgedanke (Rn 2) zielt darauf ab, die eigene Sache zur Erhaltung fremder Werte aufzugeben. Auch auf die Art des gefährdeten Rechtsguts kommt es nicht an; geschützt werden die Person und das Vermögen des Gefährdeten. Unerheblich ist auch, ob die Gefahr verschuldet oder unverschuldet ist.

 

Rn 6

Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn sie unmittelbar bevor steht. Nicht gegenwärtig sind somit Gefahren, die erst in der Zukunft drohen oder die bereits vorüber sind. Deshalb findet § 904 zum einen nur dann Anwendung, wenn auch hinsichtlich des Zeitpunkt des Gefahreneintritts ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das in Kürze der Fall sein wird; zum anderen scheidet die Anwendung der Vorschrift aus, wenn sich eine frühere Gefahr nicht oder bereits in der Vergangenheit verwirklicht hat. Unerheblich ist, wie lange die Gefahr andauert. Typischerweise sind solche Gefahren gegenwärtig, die kurzfristig auftreten wie zB Unwetter. Jedoch können auch lang andauernde Gefahren gegenwärtig sein, wenn jederzeit mit dem Eintritt eines Schadens gerechnet werden muss; Voraussetzung ist, dass es ausgeschlossen erscheint, dass die Gefahr sich nicht verwirklicht oder anders als durch den Eingriff in die fremde Sache abgewendet werden kann, und dass bei Beginn ihrer Verwirklichung ein Eingreifen voraussichtlich zu spät wäre (Braunschw OLGR 95, 207).

II. Notstandshandlung.

 

Rn 7

Notstandshandlung ist die zur Gefahrenabwehr vorgenommene Einwirkung auf eine fremde Sache. Sie kann in der Benutzung, Beschädigung, Veränderung oder Zerstörung der Sache...

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