Gesetzestext

 

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

A. Einordnung und Zweck.

 

Rn 1

§ 1 bestimmt das Ziel des Gesetzes. Der Verhinderung und zT auch Beseitigung dient die Schulungs-, Unterrichtungs- (§ 12 I, II, V) und Reaktionspflicht des ArbG (§ 12 III, IV). Generalpräventiv wirken auch Entschädigung und Schadensersatz (§ 15).

B. Benachteiligungen.

 

Rn 2

Nach der Gesetzesbegründung (BTDrs 16/1780, 30) ist Benachteiligung die rechtswidrige unterschiedliche Behandlung. § 3 I spricht demggü von Benachteiligung, obwohl Rechtfertigung nach §§ 8–10 noch möglich; richtig wäre auch hier ›unterschiedliche Behandlung‹. Benachteiligungsgründe in § 1 sind abschließend (BTDrs 16/1780, 30, s EuGH NZA 06, 839 – Chacon Navas, BAG NZA 15, 931 [BAG 20.11.2014 - 2 AZR 664/13]). Schutz gegen Benachteiligungen aus anderen Gesetzen bleibt aber unberührt, § 2 III AGG (§ 2 Rn 15).

C. Ethnische Herkunft/Rasse.

 

Rn 3

Ethnische Herkunft ist Oberbegriff auch zum Merkmal Rasse. Rasse umschreibt die Zurechnung eines Menschen zu einer bestimmten Gruppe aufgrund bestimmter lebenslänglicher und vererblicher äußerlicher Erscheinungsmerkmale, wie Hautfarbe, Physiognomie oder Körperbau. Formulierung ›aus Gründen‹ (iGgs zu ›wegen‹) der Rasse stellt klar, dass Aufnahme des Merkmals der Verhinderung von Rassismus dient. Die Antirassismusrichtlinie (2000/43/EG, ABlEG Nr L 180 22) weist ausdrücklich die Akzeptanz von Rassentheorien zurück (ebenso BTDrs 16/1780, 31).

 

Rn 4

Der Begriff der ethnischen Herkunft beruht auf dem Gedanken, dass gesellschaftliche Gruppen insb durch eine Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, kulturellen und traditionellen Herkunft und Lebensumgebung gekennzeichnet sind, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist (vgl BGH NZA-RR 20, 50). Die kennzeichnenden Merkmale sind allerdings nicht vererblich. Die Zusammengehörigkeit muss räumlich und zeitlich identifizierbar sein, die Volksgruppe daher Beständigkeit aufweisen, zT wird auf drei Generationen abgestellt (BKG § 1 Rz 21). Bei weiter Auslegung (BTDrs 16/1780, 31) könnten auch Sachsen, Friesen, Bayern etc darunterfallen (BKG § 1 Rz 23; vgl BAG NZA 04, 540 [BAG 05.02.2004 - 8 AZR 112/03]; zu Spaniern BAG NZA 10, 625 [BAG 28.01.2010 - 2 AZR 764/08]; zu Kroaten BAG NZA 11, 1226; zu Marokkanern EuGH NZA 08, 929 – Feryn), nicht aber ›Ossi‹ (ArbG Berlin FD-ArbR 19, 421317; ArbG Stuttgart NZA-RR 10, 344 [ArbG Stuttgart 15.04.2010 - 17 Ca 8907/09]), ›Berliner‹ (VG Berlin v 26.10.12, 5 K 222.11). Nicht Ethnie ist bloße Staatsangehörigkeit (BGH NZA-RR 20, 50 [BGH 25.04.2019 - I ZR 272/15]; EuGH NVwZ 12, 950 – Kamberaj); Differenzierung auch danach ist jedoch unzulässig, wenn in der Sache doch Ethnie gemeint ist (BTDrs 16/1780, 31). Auch eine Differenzierung nach Sprache betrifft, anders als nach Hautfarbe, nicht zwingend Ethnie (vgl BAG NZA 11, 1226 [BAG 22.06.2011 - 8 AZR 48/10]).

D. Geschlecht.

 

Rn 5

Geschlecht bezeichnet die Zugehörigkeit zu einem der Geschlechter. Ungleichbehandlungen wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft sind unmittelbare Geschlechtsdiskriminierung (§ 3 I 2; EuGH NZA 11, 143 [EuGH 11.11.2010 - Rs. C-232/09] – Danosa; BAG NZA 15, 734 [BAG 26.03.2015 - 2 AZR 237/14]; s § 3 Rn 10); evtl auch Vereine/Veranstaltungen, zu denen nur ein Geschlecht Zutritt hat (Rath/Rütz NJW 07, 1498 f; s aber § 20 Rn 7). Vgl iE Bissels/Lützeler BB 10, 1667 f.

E. Religion/Weltanschauung.

 

Rn 6

Religion (Art 4 GG) ist Glaube an das über die direkt erfahrbare Existenz hinausgehende bzw Glaube an eine oder mehrere übernatürliche Wesenheiten (Gottheit) (BVerwGE 90, 115 [BVerwG 27.03.1992 - BVerwG 7 C 21/90]; BAGE 79, 338 [BAG 22.03.1995 - 5 AZB 21/94]), insb die großen Religionen wie Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus, ungeklärt zu Scientology (abl BAG NZA 95, 823; BKG § 9 Rz 9; Grüneberg/Ellenberger § 1 Rz 4; möglicherweise aA BVerwG NJW 06, 1303 [BVerwG 15.12.2005 - BVerwG 7 C 20.04]; EGMR NJW 08, 495; OVG BB v 9.7.09, OVG 5 S 5.09). Weltanschauung unterscheidet sich von Religion durch fehlenden transzendenten Bezug; sie bezeichnet das umfassende Konzept oder Bild des Universums oder der Beziehung zwischen Mensch und Universum, nicht bloße politische Auffassungen oder Sympathie für eine politische Partei (BAG ArbR 13, 574 [BAG 20.06.2013 - 8 AZR 482/12] m Anm Lingemann; BGH NJW 12, 1725 [BGH 09.03.2012 - V ZR 115/11]) oder persönliche Einstellungen (ArbG Wuppertal v 1.3.12, 6 Ca 3382/11).

F. Behinderung.

 

Rn 7

Behinderung ist ein autonomer Rechtsbegriff (EuGH NZA 18, 159 – Adipositas). Geschützt sind nicht nur (nach SGB IX arbeitsrechtlich bereits besonders geschützte) Schwerbehinderte und Gleichgestellte iSv § 2 II, III SGB IX (vgl BTDrs 16/1780, 31), sondern Menschen, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit langfristig eingeschränkt ist und dadurch – in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) –ihre Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe...

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