Rn 14

Die tarifoffene Ausschlussfrist ist europarechtskonform, sofern sie genauso günstig ist wie diejenige für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Arbeitsrecht, und die Festlegung des Fristbeginns der Wahrnehmung der Rechte aus RL 2000/78/EG nicht entgegensteht (EuGH NZA 10, 869 – Bulicke; BAG NZA 12, 910; DB 10, 618; zur Vereinbarkeit der Frist mit dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz BVerfG NVwZ 22, 789). Sie soll den ArbG davon entlasten, Dokumentation über Einstellungsverfahren etc bis zum Ablauf der allg Verjährungsfrist (drei Jahre) aufbewahren zu müssen (BTDrs 16/1780, 38). Ab Geltendmachung läuft zudem für alle Ansprüche wegen Diskriminierung iSv § 7 I (BKG § 15 Rz 57) gem § 61b ArbGG die weitere Frist von 3 Monaten für die Klageerhebung (Rn 19).

 

Rn 15

Bei Bewerbung oder beruflichem Aufstieg wird die Frist mit Zugang der (auch konkludenten) Ablehnung ausgelöst (BAG NZA 18, 33; 12, 1211; Nachweis ArbG), bei Belästigung nach § 3 III erst mit Abschluss der letzten Handlung (BAG NZA 17, 1530 [BAG 28.06.2017 - 5 AZR 263/16]), in allen anderen Fällen erst ab Kenntnis vom benachteiligenden Ereignis, ggf erst ab Klärung der Rechtslage (BVerwG NZA-RR 17, 506 [BVerwG 06.04.2017 - BVerwG 2 C 20.15]). Im Einzelfall kann Ablehnung entbehrlich sein (BAG NZA 18, 33 [BAG 29.06.2017 - 8 AZR 402/15]). Auf Kenntnis, dass es sich um eine Benachteiligung gem § 1 handelt, kommt es nicht an (BAG NZA 12, 1211). Bei einem Dauerzustand beginnt die Geltendmachungsfrist erst mit dessen Beseitigung (BAG DB 10, 618; NZA 07, 1154). Den Beginn letzterer Frist kann der ArbG nicht feststellen, so dass die bezweckte Reduzierung der Dokumentation (Rn 14) nicht erreicht wird. Bei vergeblicher Bewerbung auf ein befristetes Arbeitsverhältnis beginnt die Frist nicht schon mit Ablauf der Befristung (BAG NZA 18, 33 [BAG 29.06.2017 - 8 AZR 402/15]).

 

Rn 16

Die Frist gilt nicht für Ansprüche, die gem V auf andere Anspruchsgrundlagen aufgrund der Benachteiligung gestützt werden (BAG NZA 17, 1530 [BAG 28.06.2017 - 5 AZR 263/16]). Sie gilt nicht für Erfüllungsansprüche (LAG RhPf NZA-RR 16, 347 [LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2016 - 4 Sa 616/14]) und nicht analog für Mobbing (BAG NZA 15, 808 [BAG 11.12.2014 - 8 AZR 838/13]).

 

Rn 17

Die Geltendmachung muss den Sachverhalt konkretisieren, Benachteiligender ist zu nennen, Höhe der Forderung aber nicht zwingend zu beziffern (BAG NZA 11, 1226 [BAG 22.06.2011 - 8 AZR 48/10]; 09, 945 [BAG 22.01.2009 - 8 AZR 906/07]), jedoch Angabe der Größenordnung ratsam. Ist ein Personalberater zwischengeschaltet, muss der Anspruchssteller ihn innerhalb der Frist mindestens aufgefordert haben, die Identität des (potenziellen) ArbG bekannt zu geben (Diller NZA 07, 653). Für Fristwahrung durch Klage gilt § 167 ZPO (BAG NZA-RR 14, 667 [BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13]).

 

Rn 18

Textform reicht zur Wahrung der Schriftform aus (§ 126b BGB; BAG NJW 11, 2070 f [BAG 27.01.2011 - 8 AZR 580/09] – Telefax). Verkürzung und Verlängerung durch Tarifvertrag ist wirksam, durch Betriebs- oder Individualvereinbarung Verlängerung jedoch nur zugunsten des Betroffenen (§ 31).

 

Rn 19

Die Klagefrist von drei Monaten nach § 61b I ArbGG ist zwingend. Entfristungsklage wahrt sie nicht (LAG München BeckRS 22, 5428). Die Frist gem IV muss das Gericht als materielle Ausschlussfrist vAw beachten (BAG NZA 12, 1211, Anm Krieger ArbR 12, 560 [BAG 21.06.2012 - 8 AZR 188/11]). Sie berechnet sich nach §§ 187 I, 188 II BGB, § 167 ZPO gilt (BAG NZA 14, 924, Amn Arnold ArbR 14, 384 [BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13]).

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