Rn 15

Weist der Sachverhalt im Entscheidungszeitpunkt (Hamm IPRspr 60–61 Nr 115; LG Regensburg IPRspr 54–55 Nr 120; MüKo/Sonnenberger Rz 83) keine über den deutschen Gerichtsstand hinaus gehende Beziehung zum Inland auf, so ist 1 unanwendbar (Hamm IPRax 82, 197; Grüneberg/Thorn Rz 6; Kegel/Schurig § 16 III 2b; Looschelders Rz 18; Soergel/Kegel Rz 27). Denn ob ein Verstoß vorliegt, kann nicht absolut, sondern nur relativ, dh bezogen auf alle Umstände des zu entscheidenden Falles beurteilt werden (BGH NJW 65, 1664; BGHZ 22, 163; RGZ 119, 263; BayObLGZ 69, 79 ff; Erman/Hohloch Rz 14; Soergel/Kegel Rz 26): Der Sachverhalt muss in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht so enge Beziehungen zur gegenwärtigen (s Rn 12) deutschen Rechtsordnung und damit zu deren op aufweisen, dass die Hinnahme der Rechtsfolge unerträglich erscheint (MüKo/Sonnenberger Rz 75). Man spricht auch von ›Relativität des op‹. Hinreichenden Inlandsbezug begründet idR der gewöhnliche (vgl BTDrs 10/504, 43; Hess VGH FamRZ 94, 957), inbes der langjährige (KG FamRZ 02, 166; Hamm FamRZ 00, 32; München NJW-RR 12, 1096), kaum aber der schlichte Aufenthalt (BambG FamRZ 97, 96 – Zweitwohnsitz). Bei alledem sind die Anforderungen an den Inlandsbezug umso geringer, je stärker die ausl Norm gegen grundlegende Gerechtigkeitsvorstellungen hierzulande verstößt (BVerfG NJW 07, 900; BGHZ 118, 349). Unter diesem Aspekt kann auch ein rechtmäßiger und nicht nur vorübergehender Aufenthalt als Inlandsbezug ausreichen (BVerfG NJW 07, 900 [BVerfG 18.07.2006 - 1 BvL 1/04]).

 

Rn 16

Die Inlandsbeziehung ist nach hM auch dann nicht entbehrlich, wenn es um die Verletzung von Grundrechten geht (BGHZ 120, 34; MüKo/Sonnenberger Rz 82; Begr RegEntw BTDrs 10/504, S 44; aA wegen Art 1 III GG Looschelders Rz 18 und RabelsZ 65 (2001) 476; Spickhoff 125; Raape/Sturm 217), wobei aber die Bedeutung der deutschen Entscheidung für den Grundrechtsverstoß in die Beurteilung der im Einzelfall bestehenden Inlandsbeziehung einfließen kann und andererseits auch zu berücksichtigen ist, dass möglicherweise Grundrechten bei starkem Auslandsbezug schon verfassungsrechtlich eine andere Wirkung zukommt (BGHZ 63, 226; Looschelders Rz 26; Dörner FS Sandrock [00], 208; Deutungsansatz von BVerfGE 31, 86 und NJW 91, 1600 [BVerfG 23.04.1991 - 1 BvR 1170/90] durch MüKo/Sonnenberger Rz 82, s.a. oben Rn 13). Bei der Verletzung von Normen mit völkerrechtlicher Grundlage, etwa der EMRK, kann als Inlandsbezug ausreichen, wenn Deutschland sich bei Anwendung einer ausl Vorschrift völkerrechtlichen Sanktionen aussetzen würde (MüKo/Sonnenberger Rz 82). Entspr muss bei auf EU-Recht beruhenden Anteilen des op für die Inlandsbeziehung auch eine intensive Beziehung zu einem anderen EU-Staat ausreichen (s.a. Rn 10); eine abzulehnende (MüKo/Sonnenberger Rz 84; Einl IPR Rz 211) Gleichsetzung des EU-Auslandes mit dem Inland liegt hierin nicht.

 

Rn 17

Eklatante Verletzungen der Menschenrechte sind nach allgA niemals hinnehmbar (vgl Looschelders Rz 26; Staud/Blumenwitz Rz 119). Ist der universelle (internationale) op betroffen, weil staatsübergreifend geschützte Werte verletzt sind, so tritt die Inlandsbeziehung in den Hintergrund.

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