Rn 43

Es ist heute allg anerkannt, dass jedes G notwendigerweise lückenhaft ist. Das betrifft insb die offenen Gesetzeslücken (Formulierungslücke) sowie die verdeckten Gesetzeslücken (planwidrige Wertungslücke). Solche Gesetzeslücken können im Normtext von Anfang an enthalten sein, sie können sich aber auch durch spätere Entwicklungen ergeben. Darüber hinaus ist nicht selten auch die Auslegung des Gesetzes bereits eine verdeckte Rechtsfortbildung (vgl Fischer Topoi verdeckter Rechtsfortbildung im Privatrecht, 07). Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot an den Richter, eine Entscheidung in jedem Rechtsstreit zu treffen, ergibt sich zwangsläufig die Aufgabe, auch Rechtsfortbildung iSe Lückenschließung zu betreiben. Dabei kommt insb eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung, va durch Analogie in Betracht. Voraussetzung für eine Analogie ist das Vorliegen einer Regelungslücke, die planwidrig ist, sowie eine Analogiebasis und ein Analogieschluss. Daneben ist auch eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zulässig (Rechtsfortbildung präter legem bzw extra legem, aber intra ius). Eine solche Rechtsfortbildung ist im Bedarfsfalle von jedem Richter zu leisten (vgl §§ 511 IV, 543 II, 574 II ZPO, § 132 IV GVG). Die Grenze zulässiger Rechtsfortbildung stellt eine Fortbildung contra legem dar. Allerdings ist im Einzelfall die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Rechtsfortbildung nur sehr schwer zu ziehen. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gewaltenteilung, der Gesetzesbindung sowie die aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes bedarf es aber trotz aller Schwierigkeiten einer Abgrenzung von zulässiger Rechtsfortbildung und verbotener Fortbildung contra legem. Zum aktuellen Stand der Methoden des Privatrechts vgl Stürner AcP 214, 7; Haferkamp AcP 214, 60.

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