Gesetzestext

 

(1) Ungeachtet der Artikel 3 bis 6 können die berechtigte und die verpflichtete Person jederzeit eine der folgenden Rechtsordnungen als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen:

a) das Recht eines Staates, dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört;
b) das Recht des Staates, in dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;
c) das Recht, das die Parteien als das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich darauf angewandte Recht;
d) das Recht, das die Parteien als das auf ihre Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung der Ehe anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich auf diese Ehescheidung oder Trennung angewandte Recht.

(2) Eine solche Vereinbarung ist schriftlich zu erstellen oder auf einem Datenträger zu erfassen, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist, und von beiden Parteien zu unterschreiben.

(3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf Unterhaltspflichten betreffend eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder einen Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen.

(4) Ungeachtet des von den Parteien nach Absatz 1 bestimmten Rechts ist das Recht des Staates, in dem die berechtigte Person im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, dafür maßgebend, ob die berechtigte Person auf ihren Unterhaltsanspruch verzichten kann.

(5) Das von den Parteien bestimmte Recht ist nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte, es sei denn, dass die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren.

A. Zulässigkeit der Rechtswahl (Abs 1).

 

Rn 1

Art 8 erlaubt eine beschränkte Wahl des auf die Unterhaltspflicht anzuwendenden Rechts. Eine solche ›vorausschauende‹ Rechtswahl kann jederzeit (auch vorehelich, Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 750) erfolgen (Henrich Int Scheidungsrecht, 17, Rz 132). Dafür können die vier Möglichkeiten des Art 8 I genutzt werden, in denen im Zeitpunkt der Rechtswahl eine hinreichende Nähebeziehung besteht (Rauscher/Andrae Rz 7). Gewählt werden kann das Recht eines Staates, dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört (I lit a). Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit wird man schon aus Praktikabilitätsgründen eine von ihnen genügen lassen (Hausmann FS Martiny [14], 345, 351 f; Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 744; Grüneberg/Thorn Rz 30). Auch das Recht des Staates, in dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, darf vereinbart werden (I lit b).

 

Rn 2

Weitere Wahlmöglichkeiten stehen Ehegatten u geschiedenen Ehegatten offen. Erfasst werden auch nichtige u vernichtbare Ehen (Rauscher/Andrae Rz 10). Andere Lebensgemeinschaften können auch hier ggf gleichgestellt werden (Grüneberg/Thorn Rz 30; Rauscher/Andrae Rz 10), s Art 1 Rn 7. Für sie besteht Rechtswahlfreiheit im Hinblick auf das Recht, das sie für ihren Güterstand wirksam (Gruber FS Spellenberg [10], 177, 191) gewählt haben, oder das von einem Gericht tatsächlich darauf angewandte Recht (I lit c). Mangels kollisionsrechtlicher Vereinheitlichung gilt für die güterrechtliche Rechtswahl das Kollisionsrecht der lex fori (Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 753; Rauscher/Andrae Rz 12). Ab 29.1.19 ist die EuGüVO anwendbar. Schließlich kann vereinbart werden das Recht, das die Parteien als das auf ihre Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung der Ehe anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich darauf angewandte Recht (I lit d). Auch insoweit können andere Lebensgemeinschaften gleichgestellt werden (Rauscher/Andrae Rz 13).

B. Wirksamkeit und Form (Abs 2).

 

Rn 3

Die Wirksamkeit der Rechtswahl unterliegt dem gewählten Recht (Dethloff FS Martiny [14], 41, 52; Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 755; MüKo/Staudinger Rz 18). Sie hat in einer einheitlichen Urkunde (Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 746 f) schriftlich zu erfolgen oder ist auf einem Datenträger zu erfassen u von beiden Parteien zu unterschreiben (II). Die Regelung der Form in II ist abschließend (Hilbig-Lugani DNotZ 17, 739, 747 f). Die Vereinbarung muss sich auf ein bestimmtes Recht beziehen; eine allg Wahl der lex fori genügt nicht (Andrae GPR 10, 201). Allerdings ist eine konkludente Rechtswahl zulässig (Hausmann FS Martiny [14], 345, 348), wenn sie – ähnlich wie nach Art 3 I 3 ROM I – hinreichend bestimmt ist (Rauscher/Andrae Rz 6). Die Vereinbarung kann ›jederzeit‹, also vor oder nach Verfahrenseinleitung erfolgen (Dethloff FS Martiny [14], 41, 50). Eine einmal erfolgte Rechtswahl bleibt bis zu ihrer Aufhebung oder Abänderung wirksam (Bonomi YbPrIntL 08, 353). Letztere unterliegen den gleichen Anforderungen wie die ursprüngliche Rechtswahl (Rauscher/Andrae Rz 4).

C. Minderjährige (Abs 3).

 

Rn 4

Art 8 I findet keine Anwendung auf Unterhaltspflichten ggü einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder einen Erwachsenen, der ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge