Rn 1
Art 7 enthält eine den Geschädigtenschutz verstärkende Sonderregel für Umweltschädigungen, die dem von Art 191 AEUV vorgegebenen hohen Schutzniveau Rechnung tragen soll (Erw 25 1; krit zB Leible/Engel EuZW 04, 7, 13; Leible/Lehmann RIW 07, 721, 728 f; Heiss/Loacker JBl 07, 613, 632; insg positiv hingegen Kadner Graziano YbPrIntL 07, 71 ff; Symeonides YbPrIntL 07, 149, 166; Kindler RIW 21, 321, 323 ff) und im Gesetzgebungsverfahren umstritten war (das Parlament hatte vorgeschlagen, die spezielle Regelung zu streichen). Erfasst werden außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Umweltschädigung iSv Erw 24 (dort in der deutschen Fassung unter Verwendung des Begriffs Umweltschaden, was allerdings keinen sachlichen Unterschied begründen dürfte, MüKo/Junker Art 7 Rom II Rz 10) oder daraus herrührende Personen- oder Sachschäden. Es geht also um zivilrechtliche Ansprüche wegen Umweltschäden sowie wegen durch Umweltschäden verursachter Verletzungen anderer Rechtsgüter, ggf sogar des Vermögens (s nur Grüneberg/Thorn Art 7 Rz 2). Voraussetzung ist jedenfalls ein konkreter Schaden, an den allerdings regelmäßig keine besonders hohen Anforderungen gestellt werden (s nur MüKo/Junker Art 7 Rz 12; Lehmann/Eichel RabelsZ 19, 77, 94; Weller/Nasse/Nasse FS Kronke 601, 616 f; dies in Kahl/Weller, Climate Change Litigation 21, S, Rz 45 ff; van Calster IPRax 22, 441, 445 f; König/Tetzlaff RIW 22, 25, 29 ff – mit Plädoyer für Einschränkungen mit Blick auf Art 2 III; Müller-Hoff/Oehm ZEuP 22, 142, 148 f; Kieninger IPRax 22, 1, 6; Zeidler Klimahaftungsklagen 22, 261 ff; Kieninger ZHR 23, 348, 357 f zur Haftung für Klimawandel, alle mwN; recht weitgehend Kindler RIW 21, 321, 322 ff, der Art 7 im Zusammenhang mit der Abgasproblematik anwenden will – hier wäre mit Blick auf den bei den Erwerbern im Vordergrund stehenden Vermögensschaden eher an Art 4 zu denken). Damit wird der Anwendungsbereich der Regelung weit gefasst, insb bestehen keine besonders hohen Anforderungen an die Kausalität der Umweltschädigung für den individuellen Schaden (s.a. van Calster IPRax 22, 441, 446 f; zu Grenzen bei Klimahaftungsklagen König/Tetzlaff RIW 22, 25, 32; einschr zur Haftung für nachhaltigkeitsfehlerhafte Produkte auch Gsell ZHR 23, 392, 398f). Teilweise wird in Anlehnung an die Umwelthaftungs-RL (RL 2004/35/EG, ABl 04, L 143/56; ABl 19, L 170/115) eine Beschränkung auf berufliche Tätigkeiten (Heiss/Loacker JBl 07, 613, 632; aA Matthes GPR 11, 146, 147) oder eine Einschränkung durch ein Vorhersehbarkeitserfordernis analog Art 5 (dagegen Kieninger IPRax 22, 1, 6 ff mN zum Meinungsstand) postuliert, was jedoch von Wortlaut und Zweck der Regelung nicht gedeckt sein dürfte. Im Rahmen der Qualifikation sollte innerhalb der ROM II-VO beim Zusammentreffen mehrerer Bereiche (zB Haftung für Umweltschädigung durch mangelhaftes Produkt) vorrangig Art 7 angewandt werden (Thorn in Kieninger/Remien, Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung 12, 139, 158f). Problematisch ist die Qualifikation bei Berührungspunkten zum Sachenrecht, insb bei nachbarrechtlichen Ansprüchen. IRe autonomen Qualifikation wird man hier – auch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Regelungslücken – nachbarrechtliche Ansprüche wegen umweltschädigender Einwirkungen (im deutschen Recht zB aus §§ 904, 906, 1004 BGB) als solche aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis qualifizieren müssen (so zB auch BeckOK/Spickhoff Art 7 Rz 2; Grüneberg/Thorn Art 7 Rz 3), nicht aber das Anliegerrecht oder die Bestimmung des Inhalts von Grundeigentum (BeckOK/Spickhoff Art 7 Rz 2). IÜ ist der Gegenstand des Art 7 im Zusammenhang mit dem allgemeinen Anwendungsbereich der VO (Art 1) zu interpretieren mit der Folge, dass alle Bereiche außerhalb des Zivilrechts (und damit sowohl die Regelungsgegenstände der EG-Umwelthaftungs-RL, s nur BeckOK/Spickhoff Art 7 Rz 2, als auch Haftung oder Erstattungsansprüche des Staates, s nur Grüneberg/Thorn Art 7 Rz 4; aA Kadner Graziano YbPrIntL 07, 71, 80 ff; RabelsZ 09, 1, 52 ff) sowie außervertragliche Schuldverhältnisse aus Schäden durch Kernenergie (Art 1 II lit b) vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Schließlich sind aus deutscher Sicht als vorrangige Staatsverträge (Art 28) das Internationale Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden (BGBl 94 II 1150; 96 II 670) und das Internationale Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Bunkerölverschmutzungsschäden (BGBl 06 II 578; 08 II 786) zu beachten.