Rn 2
Bei Ansprüchen wegen Umweltschädigungen kann dann, wenn keine Rechtswahl iSd Art 14 vorliegt, gem Art 7 entweder über Art 4 I das Recht des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsortrecht), oder nach Wahl des Geschädigten das Recht des Handlungsortes angewendet werden. An dieser Stelle wird also zur Stärkung des Umwelt- und Geschädigtenschutzes (KOM [03] 427 21f) ausnahmsweise ein Günstigkeitsprinzip normiert, das tw demjenigen in Art 40 EGBGB (Art 40 EGBGB Rn 11 ff) ähnelt, nur mit umgekehrtem Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Handlungs- und Erfolgsort. Es ergibt sich folgende Prüfungsreihenfolge: Rechtswahl (Art 14), Wahl des Handlungsortrechts durch den Geschädigten (Art 7 letzter Hs), Recht am Erfolgsort iSd Art 4 I (unter Ausschluss der übrigen in Art 4 vorgesehenen Anknüpfungen, die Art 7 nicht in Bezug nimmt).
Rn 3
Konkretisierungsbedürftig ist va die Anknüpfung an das Recht des Handlungsortes nach Wahl des Geschädigten. Handlungsort ist bei Umweltschädigungen der Ort, an dem die schädigende Einwirkung vorgenommen wird bzw – bei Haftung für Unterlassen – eine erforderliche Handlung hätte vorgenommen werden müssen (wobei die Frage, ob ein Handeln erforderlich war, letztlich nur nach dem Recht des – potentiellen – Handlungsortes beantwortet werden kann, s.a. Grüneberg/Thorn Art 7 Rz 7). Bei der Gefährdungshaftung ist auf den Ort abzustellen, an dem der gefährliche Gegenstand außer Kontrolle gerät (Grüneberg/Thorn Art 7 Rz 7). Bei Handlungen international tätiger Unternehmen sollte einzelfallbezogen ermittelt werden, an welchem Ort eine konkrete Handlungs- oder Unterlassungspflicht bestand, so dass es je nach Fallkonstellation auf das Verhalten der Mutter- oder Tochtergesellschaft ankommen kann (dazu insb Mansel ZGR 18, 439, 459 ff mwN auch zu abw Ansichten; Weller/Nasse/Nasse FS Kronke 601, 619; König/Tetzlaff RIW 22, 25, 38 ff; Meder Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten 22, 148f). Die Regelung der Modalitäten der Ausübung des Optionsrechts des Geschädigten, insb die Bestimmung des spätestmöglichen Zeitpunkts, wird nach Erw 25 2 den Mitgliedstaaten überlassen und richtet sich in Deutschland nach Art 46a EGBGB. Im Übrigen sollte mangels einer speziellen Regelung in der VO das Optionsrecht vor deutschen Gerichten so behandelt werden wie das nach Art 40 I EGBGB (Art 40 EGBGB Rn 13). Auch wenn man diesem Recht kollisionsrechtlichen Charakter beimisst, handelt es sich bei den Modalitäten seiner Ausübung letztlich um verfahrensrechtliche Fragen iSd Art 1 III, die der lex fori unterliegen. Insbesondere bei Klimaschutzklagen ist allerdings auch der Erfolgsort unklar und konkretisierungsbedürftig. Um der Anwendbarkeit einer unbestimmten Vielzahl von Rechtsordnungen vorzubeugen, spricht hier vieles dafür, an den jeweiligen individuellen Schaden anzuknüpfen (dafür auch König/Tetzlaff RIW 22, 25, 33 ff mwN zum Meinungsstand und auch zu den Möglichkeiten einer weiteren notwendigen Eingrenzung der Anknüpfung).
Rn 4
Stets zu beachten sind nach Art 17 die Sicherheits- und Verhaltensregeln am Handlungsort. Sofern der Geschädigte nicht insgesamt für eine Anwendung des Handlungsortrechts optiert hat, kann sich bei Umweltschädigungen die Frage der Gleichwertigkeit behördlicher Genehmigungen am Handlungsort mit solchen am Erfolgsort bzw am Ort des nach Art 14 gewählten Rechts stellen. Hierfür sind – mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung – die allg Grundsätze der Substitution (Art 3 EGBGB Rn 51), und insofern nicht Art 17 (insg gegen eine Anwendung von Art 17 Mankowski IPRax 10, 389, 390 f; v Bar/Mankowski IPR II § 2 Rz 343 ff mit Lösungsvorschlag de lege ferenda; Matthes GPR 11, 146, 150 ff; Remien FS Schmidt-Preuß 985, 998 ff; Kieninger IPRax 22, 1, 10; für eine Anwendung zB Erman/Stürner Anh Art 42 EGBGB Art 7 ROM II Rz 26; jurisPK/Wurmnest Art 7 Rz 71; BeckOGK/Huber Art 7 Rz 65; Thorn in: Kieninger/Remien, Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung 12, 139, 163; Lehmann/Eichel RabelsZ 19, 77, 98 ff; Hübner IPRax 22, 219, 22 ff; Zeidler Klimahaftungsklagen 22, 307 ff) dahingehend zu konkretisieren, dass die Emissionen im Einklang mit etwaigen völkerrechtlichen Abkommen stehen und die Voraussetzungen der Genehmigungserteilung vergleichbar sein müssen, insb in Bezug auf die Beteiligung Betroffener (vgl dazu auch Kadner Graziano YbPrIntL 07, 71, 79 f; ähnl Grüneberg/Thorn Art 7 Rz 9; Fuchs GPR 04, 100, 103; Mankowski IPRax 10, 389, 391 ff; Matthes GPR 11, 146, 151 f; Huber/Fuchs Art 7 Rz 40; weitergehend in Bezug auf die Berücksichtigung behördlicher Genehmigungen Leible/Lehmann RIW 07, 721, 725; enger Siems RIW 04, 662, 666; anders vom dogmatischen Ansatz her Remien FS Schmidt-Preuß 985, 1000 ff: Instrumentalisierung von Art 16; ausf Soergel/Remien Art 7 Rz 30 ff).