Rn 20
Schließlich verbleibt noch ein wichtiger Anwendungsbereich für Art 4 bei Vermögensschäden (dazu ausführl mit fallgruppenbezogener Betrachtung Meyle Reine Vermögensschäden im Europäischen Internationalen Deliktsrecht 21, 63 ff, 70 ff), zB durch schuldhafte Falschauskünfte (dazu insb Meyle Reine Vermögensschäden im Europäischen Internationalen Deliktsrecht 21, 70 ff), bei schuldhaft verursachten Insolvenzausfällen (s jetzt EuGH ZIP 22, 646 = ECLI:EU:C:2022:173 Rz 56 ff: Handlungsort grds im Staat, in dem die Gesellschaft, die den Schaden nicht ersetzen kann, ihren Sitz hat; dazu Reps/Müller-Leibenger ZRI 22, 925, 935), im Rahmen der Prospekthaftung (dazu insb Denninger Grenzüberschreitende Prospekthaftung und Internationales Privatrecht 15, 215 ff mit Korrekturvorschlag 229 ff; Meyle Reine Vermögensschäden im Europäischen Internationalen Deliktsrecht 21, 163 ff; krit Keßenich Berücksichtigung statutsfremder Sicherheits- und Verhaltensregeln. Die Anwendung des Art 17 Rom II-VO am Beispiel grenzüberschreitender Prospekthaftung 20, 167 ff), beim unerlaubten Erbringen von Finanzdienstleistungen (dazu Meyle Reine Vermögensschäden im Europäischen Internationalen Deliktsrecht 21, 206 ff), beim Rating (s.u.) und im Zusammenhang mit der Abgasproblematik (Labonté RIW 20, 726, 728 ff; Rieländer RabelsZ 21, 579, 601 ff mwN zum Meinungsstand – allerdings primär für eine lauterkeitsrechtliche Qualifikation, 606 f; Staudinger/Beiderwieden DAR 21, 544, 545 – für Anwendung von Art 4 bzw Art 5; BGH MDR 24, 298 Rz 11 stellt auf den Abschluss des Kaufvertrags als haftungsbegründenden Erfolg ab; s aber auch zur internationalen Zuständigkeit EuGH 22.2.24 Rs C-81/23 = ECLI:EU:C:2024:165 Rz 38 ff, 43: Erfolgsort am Ort der Übergabe des Fahrzeugs, aber kein reiner Vermögensschaden; bereits diese beiden Fälle zeigen, dass es für die Bestimmung des Erfolgsortes sehr auf die Umstände des Einzelfalls ankommt). Hier ist bei Fehlen einer Rechtswahl häufig eine Anknüpfung an das Statut eines mit dem Delikt im engen Zusammenhang stehenden Schuldverhältnisses nach Art 4 III in Betracht zu ziehen (nicht erwogen in BGH NZG 15, 714 [BGH 17.03.2015 - VI ZR 11/14] Rz 23), va wenn sich aus dem Schuldverhältnis für die Deliktshaftung relevante Pflichten (zB zur Erteilung bestimmter Auskünfte oder zum Stellen eines Insolvenzantrags) ergeben. IÜ kommt im Einzelfall Art 4 II, sonst Art 4 I zum Zuge, in dessen Rahmen bei primären Vermögensschäden insb der Ort einer vermögensschädigenden Verfügung des Geschädigten, ansonsten seine Vermögenszentrale maßgeblich ist (s.o. Rn 7), bei sekundären Vermögensschäden hingegen der Ort der primären Rechtsgutsverletzung (zB der Ort der Eigentumsbeeinträchtigung beim unrechtmäßigen Arrest eines Schiffes, Hambg RdTW 19, 343, 348). Zu einzelnen Konstellationen Siehr IPRax 09, 435, 437 f, zur Haftung von Abschlussprüfern für Vermögensschäden Dritter Ebke ZVglRWiss 10, 397, 428 ff; umfassend Dehnert Der deliktische Erfolgsort bei reinen Vermögensschäden und Persönlichkeitsrechtsverletzungen 11; Odendahl Internationales Deliktsrecht der ROM II-VO und die Haftung für reine Vermögensschäden 12; Kollmann Autonome und intelligente Wertpapierhandelssysteme: Analyse, Regulierung und Haftung 19, 312 ff; Meyle Reine Vermögensschäden im Europäischen Internationalen Deliktsrecht 21, 70 ff. Auch bei Finanzmarktdelikten kommt mangels einer Spezialregelung de lege lata nur eine Anknüpfung nach Art 4 in Betracht (zB BGH WM 15, 2112 Rz 22; ausf Engel Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht 19, 159 ff; Thomale RabelsZ 20, 841, 848 f; Wagner/Köster WM 20, 1711, 1714), die teilw als unpassend angesehen wird (zB Einsele ZEuP 12, 23, 29 ff; Lehmann IPRax 12, 399, 400 ff mwN; s.a. Engel Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht 19, 183 ff; für eine Abstellung auf das Recht des Marktortes im Kapitalmarktrecht mit sehr weiter Auslegung von Art 4 I Einsele RabelsZ 17, 781, 788 ff; ähnl iE Thomale ZGR 20, 332, 346 f; Rieländer RabelsZ 21, 579, 610 ff; Lehmann IPRax 22, 147, 150 f; Rusch BKR 22, 192, 196 ff; für eine vorrangige Heranziehung von Art 4 III W-H Roth AcP 2020, 458, 486). Die Spezialkommission ›Finanzmarktrecht‹ des Deutschen Rates für IPR hat die Einfügung einer Sonderanknüpfung (Art 6a ROM II) vorgeschlagen (IPRax 12, 470; dazu zB Lehmann IPRax 12, 399, 402 ff; Engel Internationales Kapitalmarktdeliktsrecht 19, 285 ff; abl Meder Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten 22, 177 ff). Im Rahmen von Art 35a der EU-Rating-VO ist Art 4 ergänzend heranzuziehen (s.a. Meyle Reine Vermögensschäden im Europäischen Internationalen Deliktsrecht 21, 224 ff; Mehrmann Artikel 35a Rating-VO und das Internationale Privatrecht 21, 119 ff), wobei als Ort des Schadenseintritts auf den Sitz des Bewerteten abgestellt werden kann (Dutta WM 13, 1729, 1732), aber möglicherweise eine akzessorische Anknüpfung an das Regulierungsstatut nach Art 4 III 1 (Steinrötter ZIP 15, 110, 114f) oder das Recht des Emittenten (Mehrmann Artikel 3...