Gesetzestext
(1) 1Die Parteien können das Recht wählen, dem das außervertragliche Schuldverhältnis unterliegen soll:
a) |
durch eine Vereinbarung nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses; oder |
b) |
wenn alle Parteien einer kommerziellen Tätigkeit nachgehen, auch durch eine vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses frei ausgehandelte Vereinbarung. |
2Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falles ergeben und lässt Rechte Dritter unberührt.
(2) Sind alle Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses in einem anderen als demjenigen Staat belegen, dessen Recht gewählt wurde, so berührt die Rechtswahl der Parteien nicht die Anwendung derjenigen Bestimmungen des Rechts dieses anderen Staates, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann.
(3) Sind alle Elemente des Sachverhalts zum Zeitpunkt des Eintritts des schadensbegründenden Ereignisses in einem oder mehreren Mitgliedstaaten belegen, so berührt die Wahl des Rechts eines Drittstaats durch die Parteien nicht die Anwendung – gegebenenfalls in der von dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts umgesetzten Form – der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann.
A. Allgemeines.
Rn 1
Art 14 ermöglicht im Interesse der Parteiautonomie eine freie Rechtswahl in relativ weitem Umfang (zur Bedeutung der Rechtswahl in internationalen Wirtschaftsverträgen insb H Jacobs IPRax 15, 293). Eine zulässige (also insb nicht gem Art 6 IV, 8 III ausgeschlossene) und wirksame Rechtswahl (die zum Schutz der schwächeren Partei bestimmten Erfordernissen zu unterwerfen ist, Erw 31 4) ist bei sämtlichen außervertraglichen Schuldverhältnissen ggü allen anderen Anknüpfungen vorrangig (s.a. Art 4 Rn 10 aE; für eine Interpretation von Art 14 als Qualifikationsvorgabe Berner GPR 22, 410, 413 f; RabelsZ 23, 237, 261 ff). Einschränkungen der Rechtswahl ergeben sich insb aus Rechten Dritter (Art 14 I 2), zwingenden Bestimmungen (Art 14 II, III) sowie aus allgemeinen Regeln (Art 16, 17, 26). Zu weit dürfte es allerdings gehen, jede Rechtswahl, die sich auf sämtliche Ansprüche bzw alle Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten erstreckt, zugleich als eine solche in Bezug auf außervertragliche Ansprüche anzusehen, die dann als vorherige Rechtswahl im Verhältnis zu Verbrauchern nach Art 14 I lit a unwirksam wäre (so aber LG Ulm BeckRS 17, 125129).
B. Rechtswahl.
I. Gegenstand und Umfang.
Rn 2
Gegenstand der Rechtswahl kann nur staatliches Recht, auch das eines Teilgebiets eines Mehrrechtsstaates (Art 25, vgl Meyer RabelsZ 19, 721, 733 f mwN) sein, also nicht supranationale Regeln, wie zB diejenigen des Gemeinsamen Referenzrahmens für ein Europäisches Privatrecht, denn Art 14 II, III nehmen Bezug auf das gewählte Recht von Staaten (s zB BeckOK/Spickhoff Art 14 Rz 2; Grüneberg/Thorn Art 14 Rz 5; Leible RIW 08, 257, 261; Rühl FS Kropholler 187, 189 ff; Vogeler Die freie Rechtswahl im Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse 13, 320 f; aA Kadner Graziano RabelsZ 09, 1, 10; einschr Hellgardt RabelsZ 18, 654, 676 ff). Das gewählte Recht muss bereits gültig sein (arg ex Art 24, Rühl FS Kropholler 187, 194); ein sachlicher Bezug der gewählten Rechtsordnung zum konkreten Fall ist nicht erforderlich (Rühl FS Kropholler 187, 192; Pfütze ZEuS 11, 35, 51), bei seinem Fehlen sind aber insb Abs 2 und 3 zu beachten. Es kann auch das Recht eines Nicht-Mitgliedstaats gewählt werden (BeckOGK/Rühl Art 14 Rz 78 mwN). Allerdings sollte bei der Wahl englischen Rechts mit Blick auf den ›Brexit‹ die Zulässigkeit einer Rechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen nach englischem Recht berücksichtigt werden (Schuhmacher ZIP 16, 2050, 2053). Beim Umfang der Rechtswahl ist davon auszugehen, dass sie sich nur auf das materielle Recht, nicht auch auf das Kollisionsrecht bezieht, und zwar auch bei Kombination mit einer Gerichtsstandsvereinbarung (dazu zB Leible/Lehmann RIW 07, 721, 727). Unklar ist, ob Art 14 auch eine Teilrechtswahl erlaubt. Dagegen spricht das Fehlen einer Art 3 I 3 ROM I entsprechenden Regelung (s auch Schmitz Die Rechtswahlfreiheit im europäischen Kollisionsrecht 17, 244f); dafür wird va das Gebot der einheitlichen Auslegung beider Verordnungen angeführt (zB Grüneberg/Thorn Art 14 Rz 4; BeckOGK/Rühl Art 14 Rz 93; Heiss/Loacker JBl 07, 613, 623; Leible RIW 08, 257, 260; umfassende Nachw zum Meinungsstand bei Vogeler Die freie Rechtswahl im Kollisionsrecht der außervertraglichen Schuldverhältnisse 13, 326 ff). Allerdings lässt sich ebenso gut argumentieren, dass bei einem sonst weitreichenden Gleichlauf beider Regelungen nicht ohne Weiteres ein Versehen des Regelungsgebers unterstellt und Art 14 deswegen ergänzend ausgelegt werden darf (so iE auch Bittmann in Weller, Europäisches Kollisionsrecht 16 Rz 240). Die praktischen Auswirkungen der Beurteilung der Frage dürften nicht allzu groß sein, weil eine Teilrechtswahl bei außervertraglichen Schuldverhältnissen ohnehin nur für größere...