Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller
Gesetzestext
Hat eine Person (›der Gläubiger‹) aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses eine Forderung gegen eine andere Person (›den Schuldner‹) und hat ein Dritter die Verpflichtung, den Gläubiger zu befriedigen, oder befriedigt er den Gläubiger aufgrund dieser Verpflichtung, so bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten gegenüber dem Gläubiger maßgebende Recht, ob und in welchem Umfang der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner nach dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht geltend zu machen berechtigt ist.
A. Bedeutung.
Rn 1
Die Vorschrift enthält eine für die Praxis sehr bedeutsame Regelung über das Statut der Legalzession. Sie ist Art 13 EVÜ nachgebildet, der jedoch ausschließlich vertragliche Forderungen erfasst. Der deutsche Gesetzgeber ist darüber in ex Art 33 III EGBGB hinausgegangen, indem er auch Forderungen aus außervertraglichen Schuldverhältnissen mit einbezogen hat. Nunmehr findet sich für diese Ansprüche in Art 19 eine eigenständige Regelung. Für die cessio legis bei vertraglichen Forderungen gilt Art 15 ROM I. Eine Sondervorschrift enthält Art 93 der VO (EWG) Nr 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbstständige u deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- u abwandern (ABl 1997 L 28/1; s BGH VersR 08, 1358). Stehen dem Dritten eigenständige Regressansprüche aus einem anderen Rechtsgrund zu, so richten sich diese Ansprüche nicht nach Art 19, sondern nach dem Statut, welches das Verhältnis zwischen dem Rückgriffgläubiger und dem Rückgriffschuldner beherrscht (BGH EuZW 20, 580 [BGH 18.03.2020 - IV ZR 62/19]).
B. Anknüpfung.
Rn 2
Hat ein Dritter aufgrund einer dahin gehenden Verpflichtung die Forderung des Gläubigers gg den Schuldner erfüllt, so entscheidet über Entstehung u Umfang eines etwaigen Regressanspruchs das Recht, auf dem die Verpflichtung beruht (sog Zessionsgrundstatut). Die Verpflichtung des Dritten muss ggü der Verpflichtung des Schuldners nachrangig sein (MüKo/Junker Art 19 Rz 13). Das Forderungsstatut wird durch die Ersatzleistung nicht berührt. Hat etwa die Versicherung dem Geschädigten Ersatz geleistet, so bestimmt das Statut des Versicherungsvertrages (Art 7 ROM I), unter welchen Voraussetzungen die Forderung auf den Versicherer übergeht (EuGH NJW 16, 1005), es regelt auch den Binnenausgleich zwischen mehreren Versicherern (BGH NJW-RR 23, 1146 [BGH 05.07.2023 - IV ZR 375/21]). Der Inhalt der Schadensersatzforderung inkl etwaiger Einwendungen u Einreden bestimmt sich hingegen nach dem Deliktsstatut. Maßgeblich ist also nach Art 4 I insoweit grds das Recht des Staates, in dem Schaden eingetreten ist (EuGH NJW-RR 23, 940). Dieses entscheidet auch, wer dem Geschädigten ggü verantwortlich ist u ggf wie die Leistungspflicht aufzuteilen ist (Art 15 lit b; EuGH NJW 16, 1005). Es regelt auch die Frage, ob die Forderung überhaupt übertragbar ist (Art 15 lit e; Junker JZ 08, 169, 177).