Gesetzestext
Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die für besondere Gegenstände Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse enthalten.
Rn 1
Art 27 regelt – als Kompromiss zwischen divergierenden Standpunkten zur kollisionsrechtlichen Relevanz des Herkunftslandprinzips im Rechtssetzungsverfahren – nunmehr allgemein das Verhältnis zu Kollisionsnormen in Bezug auf außervertragliche Schuldverhältnisse in anderen unionsrechtlichen Rechtsakten. Auch wenn mit der ROM II-VO eine möglichst umfassende Regelung angestrebt wird (Erw 35 1), geht der Regelungsgeber realistischerweise davon aus, dass im Einzelfall Kollisionsnormen in anderen Rechtsakten enthalten sein können und schließt auch für die Zukunft Regelungen an anderer Stelle im Gemeinschaftsrecht nicht aus (Erw 35 2). Solche Vorschriften haben Vorrang vor den Bestimmungen der VO. Relevant ist dies derzeit va für das in der E-Commerce-RL (die in Erw 35 ausdrücklich genannt wird), aber auch einigen weiteren RL enthaltene Herkunftslandprinzip, sofern man diesem kollisionsrechtlichen Charakter beimisst (so etwa v Bar/Mankowski IPR II § 2 Rz 581 ff; aA für die E-Commerce-RL Pfeiffer IPRax 14, 360), sowie für Art 12 I lit e ROM I (dazu Grüneberg/Thorn Art 27 Rz 3), weiterhin für Übereinkommen, welche die EU künftig iR ihrer Außenkompetenzen schließt (Heiss/Loacker JBl 07, 613, 618). Auch wenn der EuGH (WRP 11, 1571 [EuGH 20.10.2011 - Rs. C-344/10 P; C-345/10 P] Rz 59 ff; ihm folgend BGH NJW 12, 2197 [BGH 08.05.2012 - VI ZR 217/08] Rz 30) einen kollisionsrechtlichen Charakter des Herkunftslandprinzips in der E-Commerce-RL verneint hat, dürfte Erw 35, der nicht explizit auf Kollisionsnormen im rechtstechnischen Sinne abstellt, angesichts der Argumentation des EuGH seine Bedeutung behalten. Überwiegend abgelehnt wird ein kollisionsrechtlicher Gehalt – und damit auch ein Vorrang – von Art 6 II 1 der Prospektrichtlinie (RL 2003/71/EG, ABl 03, L 345/64, s Junker RIW 10, 257, 261 mwN; nach Außerkrafttreten dieser RL ist jetzt die VO [EU] 2017/1129, ABl 17, L 268/12 zu beachten, deren Art 11 II ebenfalls keinen kollisionsrechtlichen Gehalt haben dürfte) sowie von Art 28 der RL über die Kfz-Haftpflichtversicherung (RL 2009/103/EG, ABl 09, L 263/11) in der durch innerstaatliches Recht umgesetzten Form (EuGH EuZW 19, 134 Rz 36 ff). Als vorrangige Kollisionsnormen zu beachten sind auch insb Art 101 II UMV, Art 88 II, 89 II GemGeschmMVO, Art 97 I, II SortenschutzVO, Art 7 EuInsVO.