Gesetzestext
(1) 1Unbeschadet des Artikels 4 Absatz 2 ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis im Falle eines Schadens durch ein Produkt folgendes Recht anzuwenden:
a) |
das Recht des Staates, in dem die geschädigte Person beim Eintritt des Schadens ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde, oder anderenfalls |
b) |
das Recht des Staates, in dem das Produkt erworben wurde, falls das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde, oder anderenfalls |
c) |
das Recht des Staates, in dem der Schaden eingetreten ist, falls das Produkt in diesem Staat in Verkehr gebracht wurde. |
2Jedoch ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn sie das Inverkehrbringen des Produkts oder eines gleichartigen Produkts in dem Staat, dessen Recht nach den Buchstaben a, b oder c anzuwenden ist, vernünftigerweise nicht voraussehen konnte.
(2) 1Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen als dem in Absatz 1 bezeichneten Staat aufweist, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. 2Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat könnte sich insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien – wie einem Vertrag – ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht.
A. Allgemeines.
Rn 1
Art 5 enthält eine besondere Kollisionsregel für die Produkthaftung, die Art 4 vorgeht. Die Vorschrift spiegelt die Bemühungen zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Produzenten und Geschädigten wider und hat – nach weitgehenden Modifizierungen im Gesetzgebungsverfahren (s insb Kadner Graziano VersR 04, 1205, 1208 ff; ICLQ 05, 475 ff; Heiderhoff GPR 05, 92 ff; G Wagner IPRax 06, 372, 382 f; Huber/Illmer YbPrIntL 07, 31, 33 ff; Illmer RabelsZ 09, 269, 272 ff; das Europäische Parlament hatte eine Streichung der Sonderregelung gefordert) – nunmehr stark kompromisshaften Charakter. Dieser hat zu einem höchst komplexen Gefüge von Anknüpfungsregeln geführt, das leider gleichwohl nicht alle denkbaren Fallkonstellationen erfasst. Die nach Erw 20 bei der Auslegung zu berücksichtigenden Regelungszwecke spiegeln ebenfalls die unterschiedlichen bei der Produkthaftung involvierten, stark divergierenden Interessen wider (ähnl wie bei den Regelungszielen der ProdHaftRL). Daher lassen sich aus ihnen nur schwer konkrete Auslegungskriterien herleiten.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Anknüpfungsregel bezieht sich auf die gesamte außervertragliche Produkthaftung, erfasst also verschuldensabhängige und -unabhängige Haftung gleichermaßen und unabhängig davon, ob die Regeln auf nationalem Recht beruhen oder europäisch (insb durch die ProdHaftRL) geprägt sind (s.a. KOM [03] 427 15; Staudinger AnwBl 08, 1, 14) und ob sie nur Verbraucher oder jedermann schützen (Huber/Illmer YbPrIntL 07, 31, 38; enger Laschet PHI 10, 158, 161). Der Produktbegriff umfasst in Anlehnung an Art 2 ProdHaftRL bewegliche Sachen (unter Einschluss von Teilprodukten; zu Schiffen Siehr RabelsZ 10, 139, 140 ff) sowie Elektrizität (s zB MüKo/Junker Art 5 Rz 13; BeckOK/Spickhoff Art 5 Rz 3; Grüneberg/Thorn Art 5 Rz 3; Huber/Illmer YbPrIntL 07, 31, 37f) und sollte – wie bei der materiell-rechtlichen, europäisch geprägten Produkthaftung (§ 2 ProdHaftG Rn 2) – auch Software einschließen (s.a. Rieländer RabelsZ 23, 264, 274 ff mwN zum Meinungsstand). In Bezug auf unbewegliche Sachen (zB bei der Bauwerkshaftung) gilt Art 4 (s.a. MüKo/Junker Art 5 Rz 14). Der Kreis der haftpflichtigen Personen sollte ebenfalls in Anlehnung an die ProdHaftRL bestimmt werden, was auch in Bezug auf digitale Produkte wichtig ist (dazu insb Rieländer RabelsZ 23, 264, 279 ff). Wegen der für die Produkthaftung maßgeblichen Sicherheitsstandards ist innerhalb sämtlicher Anknüpfungsregeln ggf Art 17 zu berücksichtigen. Zu beachten ist jedoch, dass Art 5 neben Dänemark, das an der VO insgesamt nicht teilnimmt, auch in Finnland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Slowenien und Spanien nicht zur Anwendung kommt, weil diese Staaten das gem Art 28 vorrangige Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftpflicht anwendbare Recht (RabelsZ 73, 594) gezeichnet haben. Berücksichtigt man diese unterschiedlichen Haftungsregime sowie die Komplexität der Anknüpfungsregel in Art 5, erscheint das Ziel einer einheitlichen Rechtsanwendung innerhalb der EU gerade bei der Produkthaftung noch weit entfernt.
C. Anknüpfungsregeln.
Rn 3
Art 5 enthält für die Produkthaftung eine – dort gleichwohl nicht ganz vollständig wiedergegebene – Anknüpfungsleiter, aus der sich folgende fünfstufige Prüfungsreihenfolge ergibt (durch Unterteilung von Stufe drei kann man sogar zu sieben Einzelstufen gelangen):
Rn 4
In erster Linie ist eine Rechtswahl iSd Art 14 zu berücksichtigen. Bei Beteiligung von Verbrauchern kommt allerdings gem Art 14 I lit a nur eine nachträgliche Rechtswahl in Betracht.
Rn 5
Auf der zweiten Stufe ist ...