Prof. Dr. Eckart Brödermann
a) Zulässigkeit und Umfang.
Rn 20
I 3 lässt die Spaltung des Vertragsstatuts (dépeçage) zu, indem die Rechtswahl auf einen Teil des Vertrages beschränkt wird oder auf verschiedene Teile eines Vertrages unterschiedliche Rechtsordnungen zur Anwendung kommen (vgl BGH NZG 05, 41 [BGH 04.11.2004 - III ZR 172/03]; dazu auch NJW-RR 90, 248 [BGH 24.11.1989 - V ZR 240/88]). Für den nicht von der Rechtswahl erfassten Vertragsteil gilt dann gem Art 4 objektiv anzuknüpfendes Recht (HP/Spickhoff Art 3 Rz 30 Fetsch RNotZ 07, 456, 458). Bei kollisionsrechtlicher Teilverweisung wird für einen Teil der Parteibeziehungen eine Rechtswahl insgesamt getroffen, während bei einer materiell-rechtlichen Teilverweisung ein Vertragsstatut gewählt wird, aber in einer Einzelfrage ein anderes Recht zur Anwendung kommen soll (Praxisbsp: Wahl englischen Rechts, aber Teilrechtswahl deutschen Rechts für die Klausel über die Pflicht zur loyalen Vertragsdurchführung nach dem dem englischen Recht unbekannten Prinzip von Treu und Glauben; s MAHIntWirtR/Brödermann § 6 Rz 423 ff). Beschränkungen der Teilbarkeit gibt es grds nicht, jedoch setzt eine Teilverweisung eine gewisse Selbstständigkeit voraus (dazu Jayme FS Kegel [87], 263). Die Unterwerfung unter verschiedene Rechtsordnungen setzt voraus, dass es nicht zu widersprüchlichen Ergebnissen kommt (zum EVÜ: BTDrs 10/503/Giuliano 49). In diesem Umfang können auch selbst Vertragspflichten der jeweiligen Parteien unterschiedlichen Rechtsordnungen unterworfen werden (dazu HP/Spickhoff Art 3 Rz 30; Staud/Magnus Art 3 Rz 109 und Bälz IPRax 05, 44; Grüneberg/Thorn Art 3 Rz 10, jedoch mit Einschränkungen).
b) Beispiele.
Rn 21
Teilverweisungen (Stichwort: dépeçage) gibt es zB bei Rechtswahlklauseln, Währungsklauseln, Zinsregelungen, Verjährungsfragen, Regelungen über Haftungsfolgen, insb auch zum Erfüllungsort (dazu BGH IPRax 81, 93; zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses s BAG NZA 98, 813 [BAG 20.11.1997 - 2 AZR 631/96]). Rechtsfolgen von Vertragsstörungen können der teilweisen Rechtswahl unterliegen (Frankf IPRax 92, 314). Die Formvorschriften einer an sich anwendbaren Rechtsordnung können ausgeschlossen werden (s Hamm NJW-RR 96, 1145 [OLG Hamm 13.11.1995 - 22 U 170/94]). Häufig ist die Trennung von Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarung (Hambg MDR 73, 1025), ebenso wie von Haupt- und Schiedsvertrag (BGHZ 40, 320). Die Wahl ausländischen Rechts ist auch dann zulässig, wenn formuliert wird ›soweit nicht deutsches Recht zwingend vorgeschrieben ist‹ (so BGH IPRspr 80 Nr 3 4; s.a. München IPRspr 81 Nr 13, 35; zust MüKoIPR/Martiny Art 3 Rz 76). Als notwendig können sich Teilverweisungen bei Abschluss komplexer grenzüberschreitender, aufeinander abzustimmender Verträge erweisen (wie bei Joint-Venture-, Industrieanlagen- und komplexen Zusammenarbeitsverträgen).
Rn 22
Davon zu trennen sind Rechtswahlklauseln unter aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen, weil auch eine nachträgliche Rechtswahl zulässig ist, ebenso wie die alternative Rechtswahl (dazu Staud/Magnus Art 3 Rz 54). Denkbar ist auch die Bestimmung der Rechtswahl zu einem bestimmten Zeitpunkt durch einen Dritten (dazu BGHZ 21, 365). Bei einer ›in terrorem‹-Klausel wird bei Klage oder Schiedsklageerhebung durch eine Partei jeweils das materielle Recht am Sitz der anderen Partei als anwendbar bestimmt, um den jeweiligen Kläger mit dem ›Rechtsnachteil‹ der Anwendung eines fremden Rechts zu belasten (in der Praxis leider häufig vereinbart, dazu Soergel/v Hoffmann Art 27 Rz 21; s.a. MAHIntWirtR/Brödermann § 6 Rz 133; Mankowski in FS Martiny [14], S 449, 452 ff zur >floating choice of law clause’). Bis zu einer Ausübung der Rechtswahl ist das Vertragsstatut gem Art 4 zu bestimmen. Danach gelten die Grundsätze der nachträglichen Rechtswahl (so zutr MüKoIPR/Martiny Art 3 Rz 79).