Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 15
Die Ausnahme wertpapierrechtlicher Verpflichtungen entspricht der in Art 1 lit c EVÜ, ex Art 37 Nr 1 EGBGB.
Rn 16
Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich sind wertpapierrechtliche Verpflichtungen aus Wechseln (bills of exchange) – auch Eigenwechseln (promissory notes, vgl bereits Art 1 II c EVÜ; Staud/Magnus Art 1 Rz 64, ausf Anh I Art 1 Rz 3–20) – und Schecks (cheques) sowie aus der Handelbarkeit von anderen Inhaber- und Orderpapieren. Dabei ist Begriff der Handelbarkeit einheitlich auslegbar (MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 60; s eingehend Rauscher/von Hein Art 1 Rz 32–33). Er umfasst die im Interesse der Verkehrsfähigkeit besonders durch Abstraktheit und Formstrenge ausgestalteten Verpflichtungen (vgl BTDrs 10/504 S 84 zum ex Art 37 EGBGB). Ausgeschlossen sind deshalb die schuldrechtlichen Folgen aus der Übertragung durch Indossament oder durch Übergabe des Wertpapiers, zB gutgläubiger Erwerb des Anspruchs aus dem Papier und weitgehender Einwendungsausschluss (vgl BTDrs 10/504 S 84 zum ex Art 37 EGBGB; Staud/Magnus Art 1 Rz 69); im Übrigen besteht noch ein ›beachtlicher Auslegungsspielraum‹ (Staud/Magnus Art 1 Rz 71).
Rn 17
Hingegen ist nach der lex fori einschl des dort geltenden IPR zu entscheiden, ob ein Dokument als handelbares Papier einzuordnen ist (BTDrs 10/503/Giuliano zum EVÜ, 43; MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 60; Staud/Magnus Art 1 Rz 66; Dicey, Morris & Collins Rz 33–331: s.a. den Hinweis aaO 322 auf die unterschiedliche Qualifikation solcher Verträge durch die Mitgliedstaaten der EU). Nach deutschem Recht werden zB erfasst (vgl Staud/Magnus Art 1 Rz 68): (1) kaufmännische Orderpapiere iSv § 363 HGB, zB Konnossement (BGHZ 99, 207, 209f), Ladeschein, Lagerschein, soweit diese Papiere an Order ausgestellt sind; (2) Namensaktien iSv § 68 I AktG; (3) Inhaberschuldverschreibungen und -aktien.
Rn 18
Das IPR für wertpapierrechtliche Verpflichtungen ergibt sich zunächst aus: (1) Einheitskollisionsrecht in (a) Art 91 ff WG (die Art 2 ff des Genfer Abkommens über Bestimmungen zum Einheitlichen Wechselrecht v 7.6.30 entspr – abgedruckt bei Jayme/Hausmann Nr 120 – und zB kommentiert werden durch: MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 36 ff; Staud/Magnus Anh I zu Art 1 Rz 3 ff; Soergel/v Hoffmann Art 37 EGBGB Rz 12 ff) und (b) in Art 60 ff ScheckG (die Art 2 ff des Genfer Abk über Bestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Scheckprivatrechts v 19.3.31 entspr – abgedruckt bei Jayme/Hausmann Nr 121 – und zB kommentiert werden durch: MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 50 ff (auch zum Euroscheck in § 762 BGB Rn 30); Staud/Magnus Anh I zu Art 1 Rz 21 ff; Soergel/v Hoffmann Art 37 EGBGB Rz 26 ff). Soweit das Einheitskollisionsrecht nichts abschließend regelt, ist ergänzend jeweils das anwendbare Recht zu bestimmen: In Altfällen erfolgt die Bestimmung (zu a und b) nach ex Art 27 ff EGBGB (vgl zu ex Art 27 ff EGBGB BGHZ 99, 207, 210: Zulässigkeit der Rechtswahl; Staud/Magnus Anh I zu Art 1 Rz 3, 22; Soergel/v Hoffmann Art 37 EGBGB Rz 27; Baumbach/Hefermehl Vor Art 91 WG Rz 2; Baumbach/Hefermehl Vor Art 60 SchG Rz 1). Ob in Neufällen (ab 17.12.09) Art 3 ff angewendet werden können, wird von der Rspr zu klären sein. Dafür Magnus IPRax 10, 27, 29; abl MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 64 (bei Verweis auf allgemeine Rechtsgedanken des IPR); äußerst krit Grüneberg/Thorn Art 1 Rz 10. Bei formnichtigen Wechseln sind Art 3 ff anwendbar (München Urt v 2.5.12 – 7 U 4830/11).
Rn 19
(2) Art 6 EGHGB für Konnossemente (in der seit 25.4.2013 geltenden Fassung: Mankowski TranspR 14, 268) sowie Rechtsprechung und Lehre zu Inhaber- und Orderpapieren (Staud/Magnus Anh I zu Art 1 Rz 32; MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 62; Rauscher/von Hein Art 1 Rz 36), wobei die Rspr zT ex Art 27 ff EGBGB analog angewendet hat (zB BGHZ 99, 207, 210: Anwendung von ex Art 31 EGBGB auf eine Rechtswahl- und Gerichtsstandsklausel in einem Orderkonnossement; s Basedow IPRax 88, 15, 16); für Neufälle ist dies krit (vgl vorige Rn). Eine besondere kollisionsrechtliche Regelung für im Effektengiro übertragbare Wertpapiere enthält Art 9 der Finanzsicherheitenrichtlinie (MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 35 mwN).
Rn 20
Das anwendbare Recht für nicht in handelbarer Urkunde verkörperte Ansprüche ist nach Art 3 ff (insb Art 14) zu bestimmen (MüKoIPR/Martiny Art 1 Rz 64): So insb das Recht für Verträge über die Ausgabe oder den Verkauf von Wertpapieren (vgl Dicey, Morris & Collins Rz 33–332; Staud/Magnus Art 1 Rz 70) und das auf Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Wechsel- oder Scheckeinlösung anwendbare Recht (aaO).