Prof. Dr. Eckart Brödermann
Rn 1
Die Rechtswahlfreiheit entspricht den Bedürfnissen des internationalen Rechtsverkehrs (so Schmeding RabelsZ [77] 299, 304 f; auch Leible FS Jayme [04], Bd I, 489; Hoffmann/Stegemann JuS 13, 207), erlaubt die flexible Lösung verschiedener Fragen der vertraglichen Beziehungen (so Soergel/v Hoffmann Art 27 EGBGB Rz 5) und ist angesichts des weitgehend dispositiven Charakters des Vertragsrechts in fast allen Rechtsordnungen der Welt unbedenklich (so MüKoIPR/Martiny Art 3 Rz 8; Staud/Magnus Art 3 Rz 27 ff mwN; Beschränkungen bestehen zB in Brasilien s MAHIntWirtR/Brödermann § 6 Rz 102). Die Privatautonomie ist mittlerweile über das vertragliche Schuldrecht hinaus zum vorrangigen Anknüpfungsmoment des modernen IPR geworden (Kühne in FS Wegen [15], 451, 452). Grenzen ergeben sich aus dem Völkerrecht (Normenhierarchie, s.a. Art 25), vgl zB Bretton-Woods-Übk IWF (dazu Art 9 Rn 48), sowie Art 6–9 ROM I. Im Anwendungsbereich von materiellem Einheitsrecht sind dessen Grenzen zu beachten (s zB Art 6 CISG). Die Rechtswahlfreiheit ist auf staatliches Recht beschränkt, s Rn 4.
Der bereits früher im deutschen Recht geltende Grundsatz der Parteiautonomie (RGZ 120, 70; BGHZ 52, 239; 73, 391) wird in Art 3 ROM I – wie schon in Art 3 EVÜ (und ex Art 27 EGBGB, s www.pww-oe.de) – für den Rechtsraum der EU festgeschrieben. Die Parteien können das für einen Schuldvertrag maßgebende Recht (Vertragsstatut) selbst bestimmen. Die Rechtswahl erfolgt durch einen Verweisungsvertrag, der gewöhnlich kollisionsrechtliche Wirkung hat (s Überblick bei v Bar/Mankowski IPR II Rz 60–65); zum Zustandekommen von Rechtswahlvereinbarungen s Brödermann in FS Martiny [14], 1045. Etwaige Mängel im Verweisungsvertrag schlagen nicht auf den Hauptvertrag durch; ist deutsches Recht Vertragsstatut, findet § 139 BGB in ihrem Verhältnis keine Anwendung (Fetsch RNotZ 07, 456, 458). Für die Formbedürftigkeit des Verweisungsvertrages gilt Art 11 I ROM I. Mit dem Verweisungsvertrag wird eine Rechtsordnung, also das einheitliche Vertragsstatut insgesamt, unter Einschluss ihrer zwingenden Normen durch die Parteien für anwendbar erklärt (so auch bei der Verwendung von ›Rechtswahlklauseln unter Ausschluss des IPR‹, Mallmann NJW 08, 2953, 2957 f; Fetsch RNotZ 07, 456, 458), jedoch ohne Einbeziehung des Kollisionsrechts dieser Rechtsordnung (Art 20 ROM I). Der ausdrückliche Ausschluss des IPR ist damit im Anwendungsbereich von ROM I zumindest überflüssig. Die Parteiautonomie erlaubt auch die Rechtswahl unter Einbeziehung des IPR des gewählten Rechts (Gesamtverweisung, selten, s Art 20 Rn 3). Ferner ist die materiell-rechtliche Verweisung im Wege der Inkorporation möglich, nämlich die Einbeziehung von Vorschriften einer fremden Rechtsordnung oder nichtstaatlichen Rechts wie der UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (s Art 3 Rn 4) an Stelle der dispositiven Vorschriften des Vertragsstatuts (s dazu unten Rn 4; MüKoIPR/Martiny Art 3 Rz 16). Die Parteien können den Vertrag nach I auch einem neutralen Recht unterstellen, zu dem sonst keine Beziehung besteht (dazu Reithmann/Martiny/Martiny Rz 2.34 mwN; Sandrock RIW 94, 385; anders zB Art 18 algerischer Code civil). Ein typischer Fall ist die Vereinbarung schweizerischen Rechts bei deutschen und türkischen Vertragsparteien (München IPRax 86, 178; vgl LG Düsseldorf RIW 95, 415, obwohl das schweizerische Recht wegen der Nähe des türkischen Rechts zum schweizerischen Recht nicht immer neutral ist). Ein ausdrückliches berechtigtes Parteiinteresse wird nicht gefordert (vgl BGHZ 135, 124; Hambg IPRspr 64/65 Nr 46 155). Für die Auslandsberührung lässt die hM schlicht die Wahl eines ausländischen Rechts genügen (dazu HP/Spickhoff Art 3 Rz 8; MüKoIPR/Martiny Art 3 Rz 21 mwN).
Rn 2
Die Rechtswahl ist dynamisch, sie umfasst auch die jeweiligen intertemporalen Regeln des Vertragsstatuts, so dass in deren Rahmen Rechtsänderungen nach dem Zeitpunkt der Rechtswahl Anwendung finden (MüKoIPR/Martiny Art 3 Rz 24f). Allerdings können die Parteien vereinbaren, das jeweilige Recht zu einem bestimmten Zeitpunkt bestandsmäßig festzuschreiben, soweit das Vertragsstatut eine solche ›Versteinerung‹, oder, bei Verträgen Privater mit Staaten, ›Stabilisierung‹ zulässt (Vidmar ZfRV 15, 219, 223; HP/Spickhoff Art 3 Rz 10; Soergel/v Hoffmann Art 27 Rz 23; zur streitigen Qualifizierung der Versteinerungsklauseln s MüKoIPR/Martiny, Art 3 Rz 27, dort auch zu Stabilisierungsklauseln Rz 26; AnwK/Leible Art 27 Rz 24 ff; Mankowski in FS Martiny [14], 449, 462 ff). Die Rechtswahl beruft nach Art 3 das Vertragsstatut in seiner jeweiligen Gestalt (so Grüneberg/Thorn Art 12 Rz 3): Das Vertragsstatut entscheidet über intertemporale Fragen (s zB Einleitung BGB Rn 22 zur Änderung des deutschen Schuldrechts).
Rn 3
Auf der Grundlage des Art 14 ROM II und im Einklang mit Art 42 EGBGB können die Parteien auch das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht wählen. Die Rechtswahlfreiheit erstreckt sich daher nunmehr auch auf Ansprüche aus de...