I. Versicherung von Großrisiken.
Rn 3
Art 7 II enthält die Kollisionsnorm für Versicherungen von Großrisiken. Für die Beantwortung der Frage, wann ein solches Risiko gegeben ist, verweist die Norm auf Art 5d) der 1. Schadensversicherungsrichtlinie. Ein Großrisiko ist demnach entweder gegeben, wenn eine besondere Risikosparte (Schienenfahrzeugkasko-, Luftfahrtkasko-, See-, Binnensee- und Flussschifffahrt-, Transportgüter- und Luftfahrzeughaftpflichtversicherung; Kredit- und Kautionsversicherung, wenn der Versicherungsnehmer eine Tätigkeit im industriellen oder gewerblichen Bereich ausübt und die Versicherung damit in Zusammenhang steht) oder ein allgemeines Risiko versichert wird, dessen Umfang angesichts des wirtschaftlichen Umfangs des Geschäfts des Versicherungsnehmers besonders groß ist (dann, wenn der Versicherungsnehmer zwei von drei der genannten wirtschaftlichen Kriterien kumulativ erfüllt: eine Bilanzsumme iHv mind EUR 6,2 Mio, einen Nettoumsatz von mind EUR 12,8 Mio, eine durchschnittliche Beschäftigung von mind 250 Mitarbeitern). Gehört der Versicherungsnehmer einem Konzern an, so sind die wirtschaftlichen Kriterien des Konzerns maßgeblich (MüKo/Martiny Rz 22). Ob die Voraussetzungen vorliegen, muss für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmt werden.
1. Rechtswahl.
Rn 4
Liegt die Versicherung eines Großrisikos idS vor, können die Vertragsparteien gem Art 7 II das anwendbare Recht durch Rechtswahl (Art 3) frei bestimmen, wobei jedoch Art 3 III zu beachten ist. Die Parteiautonomie begründet sich aus der geringeren Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers.
2. Objektive Anknüpfung.
Rn 5
Findet ausnahmsweise keine Rechtswahl statt, kommt Art 7 II 2 zur Anwendung. Danach unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in welchem der Versicherer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Der gewöhnliche Aufenthalt des Versicherers, welcher regelmäßig eine juristische Person ist, ist gem Art 19 I zu qualifizieren. Als Ausnahmeklausel verdrängt Satz 3 diese Anknüpfung, wenn der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist. Angesichts der grundsätzlichen Anknüpfung an den Versicherersitz müssen an die engere Verbindung jedoch hohe Voraussetzungen gestellt werden – allein eine abweichende Risikobelegenheit genügt nicht.
II. Versicherung von anderen Risiken.
Rn 6
Art 7 III stellt die Kollisionsnorm für ›alle anderen‹ Versicherungen dar, welche nicht unter II fallen.
1. Statutenspaltung.
Rn 7
Nach Art 7 I 1 ist auch III nur insofern einschlägig, als das versicherte Risiko im Gebiet der Mitgliedstaaten belegen ist (Zur Problematik, dass die EWR-Mitgliedstaaten nicht erfasst sind, Staud/Armbrüster Rz 2). Es liegt eine Statutenspaltung hinsichtlich der Versicherungsverträge über Risiken mit Belegenheit in den Mitgliedstaaten und außerhalb dieser vor. Die Beseitigung dieser Statutenspaltung wurde auf die Versicherung von Großrisiken beschränkt. Eine Anknüpfung von Versicherungen von Risiken, welche nicht in den Mitgliedstaaten belegen sind, kann nicht gem Art 7 erfolgen und richtet sich daher nach dem allgemeinen Vertragsstatut.
2. Ort der Risikobelegenheit.
Rn 8
Der Ort der Risikobelegenheit ergibt sich aus Art 7 VI, welcher wiederum auf Art 2d) der zweiten Schadensversicherungsrichtlinie (RL 88/357/EWG des Rates v 22.6.88, ABl L172 v 4.7.88, 1; Zuletzt geändert durch die RL 2005/14/EG, ABl L149 v 11.6.05, 14) und Art 1 I g) der Lebensversicherungsrichtlinie (RL 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.11.02, ABl. L345 v 19.12.02, 1 ff) verweist. Belegenheitsstaat des versicherten Risikos ist demnach – bei der Versicherung entweder von Gebäuden oder von Gebäuden und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch die gleiche Versicherungspolice gedeckt sind, der Staat, in dem die Gebäude belegen sind;
- bei einer Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art der Zulassungsstaat;
- bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- und Ferienrisiken der Staat, in welchem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat;
- im Fall einer Lebensversicherung der Staat, in welchem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
- in allen Fällen, die nicht ausdrücklich bezeichnet wurden, der Staat, in dem der Versicherungsnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, der Staat, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht.
Rn 9
Ist das versicherte Risiko zur Zeit des Vertragsabschlusses in mehreren Mitgliedstaaten belegen, können die Parteien gem Art 7 V wählen. Ist das versicherte Risiko auch in Nicht-Mitgliedstaaten belegen, so soll der Art 7 jedoch nur für den Teil des Vertrages angewendet werden, der sich auf in der EU belegenen Risiken bezieht (Erwägungsgrund 33 zur ROM I).
3. Rechtswahl.
Rn 10
Art 7 III erlaubt den Parteien des Versicherungsvertrages ggü II nur eine zugunsten des unerfahrenen Versicherungsnehmers beschränkte Rechtswahl. Die Rechtswahl nach Ziffer d) ist angesichts des Wortlautes nur dann möglich, wenn sich die aus dem versicherten Risiko ergebenden Schadensfälle nur in einem ander...