Rn 25
Art 6 gilt nun für alle in den Anbahnungssituationen geschlossenen Verbraucherverträge, doch sind Ausnahmen von I u II in IV in den fünf Buchstaben a) bis e) enthalten. Dann kann aber noch Art 46b EGBGB zum Zuge kommen.
Rn 26
Lit a) betrifft Dienstleistungen, die ausschließlich in einem anderen Staat als dem Verbraucherstaat erbracht werden, bisher Art 5 IV lit b) EVÜ = Art 29 IV 1 Nr 2, der damit im Kern zu Recht trotz oftmaliger Kritik (etwa Leible in: Leible 132, 141; vgl aber Looschelders Art 29 Rz 38; Loacker 82) beibehalten worden ist (im Grundsatz zust Garcimartín Alférez EuLF 08, I-61, I-72 Nr 57; krit Ragno in Ferrari 157, 164 f para 14). Insb Hotelverträge oder Sprachkurse werden genannt (Pelegrini Rev Lamy dr des aff 08, 71, 72; Lopez-Tarruella Martinez ebda 356), es ist auch an Ski- oder Segelkurs, Buchung eines Zimmers in einer italienischen Pension (AG Bernkastel-Kues IPRax 94, 141 [OLG Frankfurt am Main 23.12.1992 - 21 U 62/92]), Zuschauervertrag für Fußball-WM (KG BeckRS 17, 123592), Parkraumnutzung (AG Delmenhorst IPRspr. 94 Nr 45 – unter Verkennung des öffentlich-rechtlichen Gegenstandes), sofern nicht Pauschalreise Yachtcharter (Remien FS Siehr 509; Staudinger DAR 22, 97, 99 zu LG München I ebd, das lit a) übergeht) oder Internatsvertrag (Siehr 147) zu denken (eingehend BeckOGK/Rühl Art 6 Rz 117.1), ferner wohl trotz Fehlens des speziellen Lokalbezugs (gegen teleologische Reduktion Reisewitz 185 ff) Zahnarztbehandlung (OGH – 4 Ob 65/09a), Arzt- oder Krankenhausvertrag (Spickhoff in FS Gerda Müller 287, 298, 304) – wenn nicht Teile der Leistung im Verbraucherstaat erbracht werden (eingehend Reisewitz 183f); eingrenzend McDonald v AZ Sint Elisabeth Hospital, [2014] IEHC 88, näher Ní Shúilleabháin in Guinchard 281. Auch örtliche Bank- und Brokerdienstleistungen können von lit a) erfasst werden, doch werden oft Beratung oder Information im Verbraucherstaat erfolgen (OGH – 6 Ob 110/07 f; 1 Ob 48/12h, BeckRS 16, 81215; OGH – 4 Ob 164/20a), und die Ausnahme greift nicht, wenn Warentermin- und Optionsgeschäfte an Börsen verschiedener Staaten getätigt werden dürfen (BGH NJW-RR 05, 1071 [BGH 25.01.2005 - XI ZR 78/04]; Ddorf 17 U 257/06, 17 U 39/06 juris; vielleicht anders München OLGR 03, 330; auf die Inlandstätigkeit der Agentur abstellend Ddorf RIW 95, 769; Abrechnung an Verbraucheradresse will ausreichen lassen LG Ulm 22.5.2017 – 4 O 66/13). Viele Mietwagenreservierungen können wohl erfasst sein (näher Remien FS Siehr [10], 502 ff; bejahend Limbach in: juris-pk Art 6 Rz 30; gegen ›(reine) Mietverträge‹ BeckOGK/Rühl Rz 117.2). Verträge über die Finanzierung von Dienstleistungen sollen von der Ausn nicht erfasst werden (BGHZ 123, 480). Dienstleistung bedeutet Durchführung einer bestimmten Tätigkeit gegen Entgelt (EuGH C-272/18 – VKI, ZIP 19, 2104 = ECLI:EU:C:2019:827 Rz 46). Bei typengemischten Verträgen kommt es darauf an, ob die Dienstleistung prägend ist, andere sprechen von der charakteristischen Leistung oder dem Schwerpunkt (BeckOGK/Rühl Rz 121; LG Frankfurt, BeckRS 19, 22403).
Rn 27
Werden Dienstleistungen ›aus der Ferne‹ in einem anderen Staat als dem, in welchem der Verbraucher in ihren Genuss kommt, erbracht, so greift die Ausnahme nicht (EuGH C-272/18 – VKI zu Treuhandvertrag ZIP 19, 2104 = ECLI:EU:C:2019:827; OGH BeckRS 22, 7023 m Anm Ofner ZfRV-LS 22/33). Schon bisher wurde gesagt, dass Korrespondenzdienstleistungen ohne physischen Grenzübertritt des Verbrauchers nicht unter die Ausn fallen dürften (vgl Ddorf 17 U 257/06 und 39/06 juris; MüKo/Martiny Art 6 Rz 25 f; Hoffmann/Primaczenko WM 07, 189, 194), so auch nicht über das Internet erbrachte Dienste, wenn der Verbraucher sich nicht in den Anbieterstaat begeben hat (Lopez-Tarruella Martinez 357, aber wohl str; für tel Reduktion der Ausnahme Boosfeld GPR 22, 70, 73f). Zu Recht ist gerügt worden, dass die Konsequenz der freien Rechtswahl nach Art 3 zu weit gehe (Garcimartín Alférez ebd); man könnte an eine teleologische Reduktion denken.
Rn 28
Lit b) nimmt Beförderungsverträge aus, enthält aber eine Unterausn für Pauschalreiseverträge – dies entspricht Art 5 IV lit a) EVÜ = ex Art 29 IV 1 u 2 EGBGB und Art 17 III EuGVVO (vgl zu diesem Verhältnis Chen Maastricht J Eur Comp L 28, 6). Die Ausn gilt wie bisher für Güter- wie Personenbeförderungsverträge (S 7. Aufl ex Art 29 EGBGB Rz 13); sie vermeidet die Anwendung unterschiedlichen Rechts auf verschiedene beförderte Güter oder Reisende (Pelegrini Rev Lamy dr des aff 08, 71, 72). Beförderungsverträge werden jetzt in Art 5 besonders geregelt. Pauschalreiseverträge (Art 5 ROM I Rn 6) hingegen werden kollisionsrechtlich behandelt wie alle anderen Verbraucherverträge, manche wollen jedoch lit a) bei Pauschalreise nach lit b) nicht anwenden (s HK/Staudinger Rz 7), ergänzend gilt nun Art 46c EGBGB. Für den Begriff der Pauschalreise wird ausdrücklich auf die RL 90/314 (s nun aber RL 2015/2302 – nach HK/Staudinger Rz 7: dynamische Verweisung) Bezug genommen – dies ist etwas weiter als bisher Art ...